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Von Shanghai nach Chungking 

 

 

Ob nun als Jangtse, Jangtsekiang oder Yangtse bezeichnet, die Rede ist vom 6.380 km langen Chang Jiang (Langer Fluss), der von Qinghai in Tibet durch China in das Ostchinesische Meer fließt.

 

Auch auf seiner Reise von Peking nach Birma im Jahr 1903 fährt Dr. Assmy mit einem Dampfer über den Yangtse von Ichang nach Hankau. Im Frühjahr 1906 ist jedoch das Ziel Chungking, dort wo Dr. Paul Assmy zukünftig arbeiten und leben wird.

 

Während dieser Reise führt er ein Tagebuch und beschreibt seine Fahrt auf einem Hausboot von Ichang nach Chungking. Ein großer Teil der Bilder ist beschriftet und konnte daher dem Text zugeordnet werden.

Das Original-Tagebuch ist in der Kurrentschrift geschrieben und mühevoll von Elke und Jörg Kalle vor vielen Jahren „übersetzt“ worden. Einige wenige Textstellen, die damals nicht entziffert werden konnten, habe ich bis auf einige Wörter mit Hilfe des Sütterlin-Vereins in Ahrensburg nachträglich „übersetzt“.   

 

 

 

 

      Chungking                                          Ichang                           Wuhang                         Nanking                                              Shanghai

 

 

 

 

 

Chingkiang " Knoblauchberg"

 

 

 

Ta-Tung, unterer Yangtse

 

 

Große Dschunke bei Ta-tung

 

 

 

 Buddhistischer Tempel auf Big Orphan Island (Shou Gou Shan)

 

 

 

Big Orphan von der anderen Seite

 

 

Konsulat in Hankau ( heutiges Wuhan)

 

 

 

Hankau

 

 

 

 

Uferstrasse in Hankau

 

 

S.M.S Jaguar in Hankau

 

 

 

Anlegestelle in Hankau

 

 

Ngan-King Pagode mittlerer Yangtse

 

 

 

 

Yangtse-Deich bei Sha-si

 

 

 

Floss am Yangtse-Deich bei Sha-si  

 

 

 

Fischerboote am Yangtse-Deich bei Sha-si

 

 

 

 

Yangtse-Deich bei Sha-si 

 

 

 

 

Szene beim Halten in Sha-si

 

 

 

Sha-si, mittlerer Yangtse

 

 

 Auf dem Yangtse von

 Ichang nach Chungking

 

 

Aufenthalt in Ichang. Die durch mancherlei Zufälligkeiten, Festfahren infolge des niedrigen Wasserstandes und eines Maschinenschadens, auf 5 anstatt 3,5 Tage verlängerte letzte Dampferfahrt hat ihr Ende erreicht. Ichang liegt vor mir. Ich erinnere mich sofort aller Örtlichkeiten, obwohl heute das Wasser sicher 10 Fuß, ja mehr niedriger steht als im November 1903, als Genschow, Dieter und ich [1] hier unseren Einzug hielten.

Die Stelle, wo damals die Anker unseres Dampfers in den Grund gingen, liegt heute völlig trocken. An den dicht am Wasser liegenden Gebäuden, z.B. dem jetzt leerstehenden Haus von Herrn Rhode (Agent von Melchers und Komp.) [2] sieht man die Wassermarke des Yangtse zur Sommerzeit.

 

 [1] Anmerkung: Reisebegleiter A. Genschow, Hauptmann Dieter Diez auf der Reise von Peking nach Birma im Jahr 1903/1904

[2] C. Melchers & Co. mit Hauptsitz in Bremen, Segelschiffreederei und Handelshaus

 

 

San-Yon-dung, beim Sommersitz vom “Eichenhut“ Rhode

 

Zickzacktreppen von etwa 50 Stufen führen vom jetzt freiliegenden Flussboden hinauf zum "Bund" von Ichang. Der erste, der mich begrüßt und mir mitteilt, dass ich beim Commissioner of Chinese Maritim Customs, Herrn Wolf aus Stuttgart wohnen soll, ist der Hafenmeister, der jedem einlaufenden Schiff seinen Ankerplatz anweisen muss. Dann kommt auch Herr Frederking, der allein hier stationierte frühere Konsulatssekretär und jetzige "Postagent", um mich zu begrüßen, er ist sehr erstaunt, mich allein zu finden und etwas betreten, da er beim Commissioner für ein Ehepaar Quartier gemacht hat. Die Sachen, mit Ausnahme der notwendigsten Gegenstände bleiben ruhig an Bord und das Customerboot bringt uns bei einem üblen Regen an Bord. Herr Wolf nimmt mich mit der im Osten üblichen und so ungemein sympathisch berührend "selbstverständlichen" Gastfreundschaft des "Bitte, tuen Sie, als ob Sie zu Hause wären" , die hier keine bloße Redensart ist. Ich wasche mich rasch und gehe dann in das Konsulat d.h. den Teil einer Missionsanstalt, den früher das Reich für das Konsulat (umgezogen!) gemietet hatte und in welchem sich jetzt die Deutsche Post befindet. Ohne jede Irrung gelange ich dort hin, begrüße noch vorher den Melchers'schen Speicher, in dessen Schutz wir 3[3] unsere Trägerkarawane zusammenstellten, und Mr. Ivong, den Comprador [4], dessen Hilfe in Anspruch zu nehmen ich wohl wiederum des Öfteren in der Lage sein werde. Meine Post ist recht klein, aus Deutschland nur ein Brief eingeschrieben vom Buchhändler aus Potsdam, mit der Rechnung.  Leider nicht das schon in Genua erwartete Paket Bücher.

Abends 8 Uhr Essen beim Commissioner, Frederking auch da. Wir verabreden für den nächsten Tag ein Programm und tauschen neues aus. Ich höre, dass es seit kürzester Zeit, d.h. seit etwa 1 Jahr auf dem oberen Yangtse nur so wimmelt von Europäern. Vor einigen Monaten ist sogar eine englische Dame mit ihrer Tochter und ihrer Schwester in einem Hausboot zum Vergnügen durch die Schnellen hinaufgefahren. Jaguar blieb in Shanghai kleben! Auch ein englischer Major Cumberland zog vor nicht langer Zeit durch, um Bergschafe in den tibetanischen Bergen zu schießen. Das Hauptkontingent stellen aber die Franzosen.

Einige, Dr. Légendre von der Colonialarmee sind ihren Frauen mit hinauf, ein französischer Konsul mit, einer ohne Frau, ein Bankbeamter Mr. Pernotte, ein Herr mit einer Sendung medizinischer Gegenstände (deklariert als Mission médizinale de Szon-chouen, daneben noch eine Reihe anderer Franzosen mit unbe­kannten Bestimmungsorten und Absichten.

 

[3] Anmerkung: Genschow, Diez und Dr. Assmy

[4] Anmerkung: Vermittler und Leiter des chinesischen Personals eines ausländischen Unternehmens

   

 

 

Festgemachte S.M.S Vaterland bei Ho-Chow

 

Nimmt man dazu noch die neuen 8 Schwestern, mit welchen ich auf dem japanischen Dampfer fuhr, die nach Chungking, Lin‑fu und Tchöng-tu gehen, so entrollt sich ein Bild, dass die intensiven Anstrengungen der Franzosen darstellt, auch hier eine pénétration par signe [5] ins Werk zu setzen. Das deutsche Flusskanonenboot "Vaterland", das  vom Flottenverein dem Deutschen Reiche geschenkt worden ist, war mit dem vor einigen Tagen durch den Regen hervorgerufenen höheren Wasserstand in die Flussengen hinaufgefahren, hatte eine Schnelle passiert, dann aber wegen wieder fallenden Wassers (und aus anderen Gründen) nicht wieder zurückkommen können. Da Vor­wärts [6]von Kinsha nach Hankow abgedampft war, so war kein „Man of war“ vor Ichang. Am Morgen zog ich mit Herrn Frederking aus, ein Hausboot zu besorgen. Nach längerem Suchen und Umhergondeln mit dem Melcher­schen Komparator fanden wir ein dreizimmeriges, das im Stande war, mein Gepäck aufzunehmen. Die Beschreibung meiner künftigen schwimmenden Behausung will ich auf später verschieben, und sie dann mit (hoffentlich gut gelingenden) Photos näher erläutern und dem Verständnis näher zu bringen versuchen.

 

[5] Anmerkung: das Setzen von Zeichen

[6] Anmerkung: SMS Vorwärts, Flusskanonenboot der Kaiserlichen Marine

 
 

Die Reise kostet 180 Tls., das ist rund 550 M. Besatzung: der Führer (Lau‑ban oder Lau‑da, ein zweiter (so etwa 1. Offizier), dann einige Matrosen unter einem "Bootsmann" und 26 Treidler, welche das Boot stromauf treideln und rudern müssen, wenn, wie gewöhnlich, kein günstiger oder zu schwacher Wind weht. Durch den Komparator mache ich gleich einige Bestellungen (Mehl, Petroleum, chinesische Visitenkarten mit den dazu­gehörigen Holzstempeln, chinesische Fahne mit Namen, Titeln und Würden für die Dschunke und anderes mehr. Dann holen Frederking und ich meine Sachen vom Schiffe. Wir erhalten sie auch, wie sich später herausstellt gänzlich wieder, die Kleider alias Zollvorschriften ausgehändigt, aber beati possidentes [7], ich bin froh, dass ich sie habe, anders steht es mit meinen als Frachtgut von Shanghai herauf ­gekommenen Sachen. Sie lagern, wie ich mit Hilfe des chinesischen Shipping Clerk der China Merchant and Steam Navigation Company ausfindig mache, vollzählig beiButterfield & Swire [8] (minus Patronenkiste). Aber der Haken ist der: Ich habe bisher nur eine bill of Lading über 18 Kisten erhalten,  20 Kisten hierin ausgeschlossen, d.h. ein Dampfer (Ngan-kin) war mit 18 Kisten von Shanghai nach Hankow gegangen, die übrigen 20 waren erst mit L.L. Ta­-tung nachgegangen. In Hankow hatte ich nun zwar persön­lich festgestellt, dass L.L. Tung‑ting meine sämtlichen 38 Kisten mitgenommen hatte, aber die vermaledeite bill of lading war „wanting“ also streikte der Zoll. Da saß ich vor meinen schönen Kisten und bekomme sie nicht, weil ein Stück Papier nicht da 

war. Nun, auch das kam, zwar erst nach zwei Tagen und ohne die Patronenkiste, aber es war doch nun möglich alles zu verladen und die Dschunke etwas wohnlich zu machen. Vaterland war unterdessen unter Führung des französischen Marinelotsen, eines Engländers namens Plant, herunterge­kommen und ich ging mit Frederking gleich an Bord, wo mir die liebenswürdigste Aufnahme zuteil wurde. Ich „schnorrte" beim Doktor, Marine-Oberassistenzarzt Praefecke gleich 8 Dtz. 9x 12 Platten, so dass ich meine Photokisten uner­öffnet bis Chungking mitnehmen konnte. Am Abend waren die 3 Offziere von Vaterland beim Commissioner mit dem ich am Nachmittag auf einem von ihm angelegten Weg in die Berge einen Spaziergang gemacht hatte. Später gingen wir noch in den Customsclub und spielten Billard. Mir war nicht ganz wohl, ich hatte mich etwas stark erkältet. Am nächsten Morgen war alles weiß, es hatte die ganze Nacht geschneit, während es die Nacht vor meiner Ankunft in Ichang gewittert hatte. Ich wartete hauptsächlich auf meine Patronen, die mit Ta­-jüen kommend angezeigt waren. Als dieser Steamer [9] eintraf ging wieder die Zollgeschichte los. Waffen und Munition dür­fen wohl eingeführt werden.

 

[7] Anmerkung: Glücklich sind die Besitzenden

[8] Anmerkung: englische Handelsfirma mit Sitz in Shanghai

 

[9] Dampfschiff

 

Aber für jede weitere Verladung ins Innere muss der Taotai seine Einwilligung geben. Da die­ser in Ihari sitzt, so wurde in meinem Interesse von Herrn Wolf eine Ausnahme gemacht. Ich unterschrieb eine Erklärung, dass ich die Patronen nur zu eigenem Gebrauch mitführe und unter keinen Umständen an Chinesen verkaufen wolle.

In Shanghai und Hankow hatte ich schon die größten Schwierigkeiten mit den 1.000 lumpigen Patronen: Sie fallen unter den Artikel Explosivstoffe und kein Dampfer will sie mitnehmen. Wenn ich wieder einmal reise, packe ich sie einfach in meine Blechkoffer zwischen andere Sachen. Auf der Dschunke baute ich mir meine von Honkong mitge­brachten Rohrmöbel, einen kleinen Tisch, ein Sofachen, zwei Sessel und einen Liegestuhl auf. Eine hier aus der Hinterlas­senschaft von Vizekonsul Müller (Shanghai), der auf Urlaub geht, erstandene große Hängelampe erhellt mein "Wohnzimmer", das von dem alten Oldenburger Petroleumofen erwärmt wird. Im "Schlafzimmer", habe ich das große Bett von Vizekonsul M., das ebenfalls (für 50 $, fast neu!) in meinen Besitz über­gegangen ist, aufgeschlagen, d.h. ich habe die Drahtmatratze auf Balkenstücken gelegt und die Matratze u. Kissen darauf. Unten ist so Platz für Koffer, Bücher und Dressing Case sowie Photographenkorb stehen oben darauf. Es ist dann gerade noch Platz zum Aufstellen eines Schemels mit den Waschsachen. Das

dritte Dschunkenzimmer ist Badestube und Aufbewahrungsort für Büchsenkonserven, Filter. etc. Dahinter ist die Küche, d.h. eine Kiste mit Blechbeschlag und zwei chinesische Tische, mit Holzkohle heizbare Öfchen dienen den kulinarischen Künsten meines Boys als Werkzeuge. Am Morgen meiner Abreise aus Ichang kam noch ein Rettungsboot, ein sogenanntes Rotboot, über dessen Bestimmung ich noch später berichten will. Es begleitet mein Hausboot bis Wan‑hsien, wo es durch ein anderes abgelöst wird. Gleich am frühen Morgen wäre bei einem Haare die ganze Dschunken-Herrlichkeit abgebrannt. Ich hatte dem Boy gezeigt, wie man einen "Aetna"-Petroleumkocher ansteckt. Morgens rufe ich nach ihm und als er den Vorhang lüftet, sehe ich in dem Kochraum einen hellen Feuerschein. Ich stürze hin und sehe den Kochapparat in hellen Flammen, die bis zum Mattendach der Dschunke schlagen. Unten hatten auch schon Tücher Feuer gefangen. Ich stürze nach einer Decke, der Boy packt mit einer Feuerzange den Apparat und wirft ihn in den Fluss. Die entstandenen Feuerchen konnte ich ausdrücken. Den Apparat fischten wir wieder heraus. Der Boy hatte den Luftdruckapparat in Tätigkeit gesetzt, bevor der zum Anwärmen des Brenners aufgegossenen Spiritus ganz abgebrannt war. Da der Boy doch mit Kochen genug zu tun hat, nahm ich noch schnell einen Jungen mit zum Reinmachen und Lampenputzen.


 

 

Mein Hausboot

 

 

 

 

Die Dschunke ist ein mittelgroßes Hausboot etwa 18 m lang, 7 1/2 m breit. Der Raum ist in wasserdichte Abteilungen geteilt, in denen auf Bambusrosten meine Kisten verstaut sind. Meine 3 Räume sind mit einem flachgewölbten Dach versehen, das etwas über 2 m in der Mitte hoch ist. Alle Zimmer haben jederseits ein Fenster mit je zwei Schiebefenstern und Holzschiebern. Die Deckplanken, mit welchen die Abteilungen des Raumes abgedeckt sind, sind aus gutem Holz gemacht und geölt und poliert. Die Räume sind innen rot gestrichen, die Scheidewände sind herausnehmbar, die Friese über den Türen geschnitzt und vergoldet. Alles ist sehr sauber, überhaupt ist das einzige, was die Chinesen reinhalten ihr Boot. Alle Augenblicke kommt ein Kerl und fährt mit einem Feudel über die Planken. Das Holzwerk des Oberbaues hat viele Spalten und Fugen, durch welche der Wind etwas zu ausgiebig hindurchpfeift und ich habe deshalb einige Decken aufgehängt und bin so vor Rheumatismus-Gefahr etwas besser bewahrt. Um 10 Uhr setzten wir uns in Bewegung. Große Feuerwerksabbrennerei und Trommelsolo. 26 Mann Treidler und Bootsleute stürzen sich auf die langen Ruder, die längsseits auf einem ausgeschobenen Baum ruhen. Die Ruder sind reichlich 7 m lang, von denen etwa 3 m als Griff dienen, während von dem Ruderblatt nur etwa 1 1/2 m ins Wasser tauchen. Das Ruder ruht (wie gesagt parallel oder doch nur so viel im Winkel zur Schiffsachse geneigt, dass das Griffende ungefähr über der Bordkante steht) so auf dem Querbalken, das er mit einer Aushöhlung auf einem im Querbalken steckenden Pflock aufliegt.

 

 

 

 

Gerudert wird nach demselben Prin­zip, wie man Bootsleute mit einem Ruder am Heck eines Bootes rudern sieht ("wricken"), d.h. das Ruder wird im Wasser quer zur Bootsachse bewegt und dabei abwechselnd links u. rechts herum gedreht, wobei auf das Wasser ein Druck ausgeübt wird. An jedem Ruder singt ein Mann in fürchterlichen Fisteltönen, die anderen stöhnen taktmäßig und manchmal wird auch mit dem Fuß gestampft. Schnell bringen sie das Fahrzeug natürlich nicht vom Fleck. Besser geht es mit dem Segeln. Das Segel ist unheimlich groß, es ist das übliche chinesische Fächersegel, das außerordentlich bequem auf und nieder zu holen und zu verkleinern ist, denn Reffen kann man nicht sagen, der Fächer wird eben nur fachweise entfaltet.

 

 

 

 

Außer dem Steuer am Heck notabene [10] ein Balanceruder, das man in Europa nicht erst hätte noch erfinden brauchen, führen alle die Dschunken, welche für den oberen Strom und die Fahrt durch die Stromschnellen bestimmt sind ein mächtiges Bugruder, bestehend aus einem gut ausbalancierten, etwa 8‑10 m langer Balken, der an seinem Ende mit einem senkrecht angenagelten Brett verbreitert ist.

 

[10] Anmerkung: wohlgemerkt

 

  

 

 

Regiert wird dies mächtige Werkzeug von 4 Mann, im Bedarfsfalle von mehreren, natürlich wieder mit dem Gesang “der Steine“ erweichen kann. Überhaupt geht es ohne Singsang nicht. Befiehlt man einem Kerl: Hole diese Kiste hier aus dem Schiffsraum, so singt er sofort: Kiste aus dem Schiffsraum holen, auch wenn er ganz alleine anpackt. Es ist ein gelungenes Völkchen.

Flussaufwärts wird, wenn möglich gesegelt, meist aber getreidelt, da der Strom zu stark ist. Die Seile sind aus gespaltenem Bambus, die harten Außen? [11] nach außen, geflochten. Sie halten unheimliche Spannungen aus, können aber nicht eng gerollt werden, da sie sonst knicken. Sie zerschleißen sich bald an den Felsen und überall finden sich mächtige Taulager an den Uferplätzen. Das Treidelseil ist am Schiff sehr ingeniös [12] befestigt. Die Treidelleute gehen mit dem Ende an Land; ist die nötige Länge ausgefahren, so wird an dem Treideltau ein Fall mit einem Querholz angeschlungen und das Fall angeholt. Dadurch kommt die Treidelleine hoch und kann höher und tiefer gelassen werden, wie es die Verhältnisse erfordern. Ein Mann steht stets an dem E.U.(unleserlich), denn sobald sich die Treidelleine in Felsen verfängt, muss das Fall abgeworfen werden, damit die Treidelleine locker wird, sonst treibt das Fahrzeug gegen das felsige Ufer.

 

 [11]  

 

 

[12] Anmerkung: geschickt, erfinderisch

 

Die Verbindung mit den Treidlern wird durch Trommelsignale unterhalten: lang, kurz, kurz, lang, kurz, kurz, in Wiederholung bedeutet “Halt“ kurz, kurz, kurz, kurz, kurz , “Weiter“, ganz lange Wirbel “Scharf anziehen“ (in Stromschnellen).

Die Treidler, junge und alte Kerle, meist in Lumpen mit Krätze, Geschwüren und Dreck sowie Abschürfungen reichlich versehen. Laufen fast sämtlich barfuß. Sie ziehen mit einem Brustgurt aus Leinenzeug.

Befestigt wird dieser sehr einfach mittels eines Knebels an einer beliebigen Stelle des Taues. Solange die Ufer eben sind geht die Geschichte. Aber solche Stellen sind im Bereich der Stromschnellen sehr selten. Meist geht der Weg für die Leute durch Steingeröll, über Felsspalten, bisweilen fast 100 Fuß über dem Fluss in Felsenwänden entlang, wo der Weg direkt aus dem Felsen herausgeschlagen ist. Das Seil verhakt sich alle Augenblicke hinter eine Zacke, dann klettern ein Paar Kerle hinauf und machen es frei. Oft sitzt das Tau hinter einem Felsen im Wasser, dann wirft einer die Sachen ab und schwimmt trotz der Strömung hin und macht es frei. Es muss eine furchtbare Arbeit sein. Wenn kein Treidelweg da ist, und kein Wind ist, so kommen die Leute an Bord und rudern. Liegen Dschunken am Ufer, so muss die Leine herumgeführt werden. Des Tages dreimal gibt es Reis‑ und Kohlgemüse, Fische und bisweilen etwas Fleisch. Opium scheint an Bord niemand zu rauchen, ich habe nichts gesehen und auch nichts gerochen. Dagegen konzediere ich jeden Abend pro Nase 2 ‑ 3 Zigaretten, die ich en gros in Ichang-Gür für diesen Zweck gekauft habe. Vorsichtig schließe ich vorher meine Tür, die nach dem Vorderdeck führt.

Was die sogenannten Rotboote anlangt, so sind diese Rettungsboote, die von der chinesischen Regierung überall an den Stromschnellen aufgestellt sind, um bei den nicht seltenen Unglücksfällen Menschenleben zu retten. Es sind sehr gut gebaute, gut segelnde und leicht zu rudernde Boote von etwa 6 m Länge und

1,2 m Breite mit 5 Mann (Soldaten) besetzt, die famose Wasserleute sind. Gesteuert werden sie mit einem unheimlich langen Ruder vom Heck aus. Sie führen ein himmelhohes sehr schmales Segel, das sie gegen einen ziemlich kräftigen Strom anlaufen lässt.

  

 

 

 

 

 

 

                             Rotboot

 

(Anmerkung:In seinem Bericht an den Reichskanzler Fürsten von Bülow vom 29.05.1906 führt Dr. Paul Assmy die Funktion der Rotboote genauer aus:

 

Die Rotboote sind Rettungsboote, welche von den Ortsbeamten an den Stromschnellen und an den Landungsplätzen aufgestellt und Reisenden auf Wunsch zur Begleitung mitgegeben werden, Sie sollen bei den häufig auftretenden Unglücksfällen zur Hand sein. Ferner sind sie sehr nützlich zum schnellen Fortkommen. An den Stromschnellen liegen oft sehr viele Dschunken und warten, dass die Reihe an sie kommt hinaufzugehen. Wer ein Rotboot bei sich hat, erhält dadurch einen offiziellen Anstrich und kann außer der Reihe hinaufkommen. So dann ist ein Begleitboot notwendig, um an Land zu kommen, wenn man sich etwas Bewegung machen will, da die größeren Dschunken meist nicht sehr nahe genug an das Ufer herangehen können.

 

Ich bin mit meinem Boot sehr zufrieden, bis jetzt habe ich es so benutzt, wie eine Dampfpinasse [13].

 

[13] Anmerkung: Beiboot aus Holz

 

Wir zwängen uns am ersten Morgen zuerst durch die vor Ichang am linken (nördlichen)

Yangtse-Ufer liegenden unzähligen Dschunken hindurch, unter fürchterlichem Gesang bei mangelndem Wind gegen den Strom anrudernd. Um 11 Uhr gehen wir zum rechten (südlichen) Ufer hinüber, die Treidler gehen an Land und beginnen zu ziehen. Die Berge sind niedrig, es sind Bergzüge quer zur Flussrichtung, die vom Strom durchgesägt sind. Alle sehen daher wie Pyramiden aus. In den ebenen Stellen zwischen ihnen sind grüne Felder und blühende Obstbäume, alle kleinen Bäche führen reichlich Wasser. Nach etwa einer weiteren halben Stunde biegt der Fluss südlich um bei San‑li‑tung, man sieht in die erste Flussenge hinein, den

Ichang Gorges: Große steile Kalksteinfelsen engen den Fluss ein, sie sind kahl, zerrissen und vom Regenwasser zerfressen, so dass die einzelnen Blöcke bisweilen wie aus Tuffstein bestehend aussehen. Wo auch nur einigermaßen die Möglichkeit da ist, sind kleine Felder angelegt, welche die monotonen Felsenpartien mit ihrem saftigen Grün beleben. Hier und da sind Häuschen zwischen die Felsen eingeklemmt, alle in sehr beträchtlicher Höhe über dem jetzigen Wasserspiegel, denn der Fluss steigt im Sommer bisweilen um 40 Fuß und darüber. Die Gesteinsschichtung geht gegen die Flussrichtung an. Um 3 Uhr 15 Nachmittag wird Pin‑shan‑ba erreicht. Hier ist Pass‑ und Zollrevision, d.h. ich schicke mit dem Schiffsführer meine Papiere an Land. Alles ist rasch erledigt. Am Ufer liegen einige chinesische Flusskanonenboote mit blauweiß gestreiften Zeltbedeckungen und ebensolchen Segeln. Sie sind dazu bestimmt, etwa ohne Revision durchbrennende Dschunken zu verfolgen.

 

 

  

Chinesisches Kanonenboot

 

Wir fahren dann in den Pin‑schan Gorge ein. Der Fluss hat sich durch einen mächtigen Kalksteinbergzug durchgegraben. Die ausgewaschenen Felshänge sehen ganz abenteuerlich aus. Überall sieht man Blöcke, die offenbar hoch oben abgestürzt sind, man kann vielfach sogar noch die betreffende Stelle nachweisen. Das Regenwasser hat überall Höhlungen und Rinnen ausgewaschen, in denen sich Steine beim Hinabgleiten eingeklemmt haben. Jedes einigermaßen flacher liegende Stückchen zeigt aber reiche Vegetation von Moos, Farnen und Mädchenhaar [14], das hier in großen Mengen wächst. Wo sich kleine Täler durch Zurückweichen der Felsen öffnen, stehen Hütten, immer hoch an der Berglehne über Hochwasser angelegt. An weniger steilen Abhängen zeigen sich tiefgrüne, von weitem schachbrettartig angeordnet erscheinende Felder an, dass jedes Fleckchen hier ausgenutzt werden muss und auch wird. Am Ufer wird Fischerei betrieben mit Handnetzen und mit eigenartigen Tauchnetzen, die an einem hohen Bambusgerüst befestigt sind. Fast der ganze Pin‑schan Gorge hat so steile unzugängliche Ufer, dass unsere Treidler keinen Pfad haben und so erfreut mich der "melodische" Gesang beim Rudern den ganzen Nachmittag. Mein Boy, der eigentlich mein Gehilfe für das zu begründende Hospital sein soll, da er 3 Jahre im GeneralHospital in Shanghai als Diener tätig war und sogar etwas Englisch sprach, hat früher nie gekocht. Ich habe ihn überall im Hotel und Generalkonsulat sowie auf den Schiffen in die Küchen geschickt und etwas lernen lassen. Obwohl das doch keine besondere Ausbildung zu nennen ist, brachte er heute ein sehr leidliches Essen auf den Tisch: Kohlsuppe, gebackenen Mandarinenfisch, Hammelkoteletten u. Omelette aux konfitures, fein gerollt! Kann man mehr verlangen? Der Kaffee war fürchterlich. Ich glaube, er hat mitAlaun geklärtes Flusswasser dazu benutzt. Wir legen beim Dunkelwerden an. Das Vorderdeck wird mit Matten überdacht und dort schlafen wie die Heringe dicht nebeneinanderliegend die Treidelkulies. Am nächsten Morgen geht es durch eine Stromschnelle Chung‑sche‑tan, Rote‑Stein‑Schnelle/

 [14] Anmerkung: flauschiges Gras

 

 

 

 

Chinesische Bezeichnung

 

Sie ist nicht sehr reißend, die Ufer sind zum Treideln gut und man merkt wenig vom Strom. Vor dem Anfahren wird auf dem Vorderdeck ein Hahn geschlachtet, Bug und Bugruder mit Blut und Federn beschmiert, Kräuter abgebrannt und Opferpapier und mehrfach Kotau gemacht. Der Mann kann sich dabei des Lachens kaum erwehren. Er ist unser Bootsmann, ein kleines Kerlchen mit einem rußigen Zwergengesicht, der aber eine ganz enorme Körperkraft hat. Er ist eine der Hauptstützen beim Rudergesang und wechselt sich mit einem der Treidler dabei ab, der in tiefen Tönen brummelt, während Pipin, der Kurze, lispeln bevorzugt. Manchmal helfen noch andere Mitglieder der Mannschaft beim Gröhlen, besonders der kleine 11 Jahre alte Sohn des "Lauban" erfreut uns mit großer Vorliebe.

 

Nach Passieren der Chung‑sche‑tan erscheint auf dem rechten Ufer ein am Berghang gelegener Tempel. Choang‑dum‑mian, 90 Li = 45 Km (rund) von Ichang gelegen. Das Land wird offener, die Berge sind zurückgewichen, offenbar hat sich hier früher ein See befunden, bevor der Fluss sich sein tiefes Bett eingegraben hatte. Landzungen mit bastionsartigen Felsen gekrönt und mächtige Geröllfelder zieren die Ufer, deren weite Flächen bestellt sind.

 

Um 11 Uhr nähern wir uns dem Lo‑go‑tan, einer etwas stärkeren und durch viele Steinblöcke gefährliche Schnelle. Wir passieren sie glücklich unter mächtigem Geschrei und Getrommel. In einer Bucht jenseits liegt eine große Dschunke bis zum Schanzdeck im Wasser, sie ist im Tan vor einigen Tagen aufgefahren und hier auf Grund gesetzt. Am Ufer liegt ein Teil der Ladung offenbar einer fremden Firma gehörig und für ein Arsenal bestimmt. Eisenröhren, Maschinenteile und Kupferbarren (wahrscheinlich nach einer Münze im Inneren).

An jeder Flussbiegung steht wie ein Denkmal an der Spitze der betreffenden Landzunge eine mächtige zackige Felsgruppe, bestreut mit großen Blöcken und umgeben von einem Geröllfeld. Mancher der hier ruhig liegenden Blöcke hat wohl vor Jahrtausenden ein Stück eines Felsens weit im Inneren gebildet. Denn Granit und andere Eruptivgesteine finden sich hier auf dem Kalkstein. Die Zacken der Felsen sind mit Balken überbrückt, damit das Treideln fein ungehindert gleiten kann. So oft das Land mir einigermaßen gangbar erscheint, lasse ich mich von meinem "Aviso" an das Ufer setzen und vertrete mir etwas die Beine. Das Klettern über die Geröllblöcke gehört aber mit zu den besonderen Annehmlichkeiten im Leben. Um 12:30 erreichen wir San‑dau‑pjien, wieder eine Likin (Binnenzoll) Station, die wir aber glatt passieren. Dicht oberhalb machen wir Mittagsrast, die Treidler kommen an Bord und essen.

 

 

 

 

 

 Treidler essen an Bord

 

 

Wieder tauchen Berge auf und eine neue große Schnelle kommt in Sicht. Da dies Schnellenfahren im höchsten Maße langweilig ist, begebe ich mich meist an Land. Hier liegen an einer Flussbiegung unterhalb der Biegung zuerst eine Reihe einzelner Felsen, dann eine langgestreckte Felsinsel im Strom, dadurch denselben in zwei Arme teilend. Der Hauptstrom geht durch den nördlichen Arm, den deshalb die abwärtsfahrenden Dschunken benutzen. Wir werden durch den Südarm geschleppt (Photo). Meist sind die Stromschnellen hervorgerufen durch Einengungen (vorspringende Gebirgsteile, welche dem abschleifenden Wasser mehr Widerstand geleistet haben als die umliegenden weicheren Gesteine) oder Geröllfelder, welche ein einmündender kleiner Fluss oder Bach in den Strom vorgetrieben hat. Bisweilen ist auch ein ganzes Stück des Ufers mit Felsen, Dörfern und allem auf einem weichen Untergrund ins Rutschen geraten und in den Fluss vorgetrieben worden. Einige bestehen nur bei Tiefwasser, andere nur bei Hochwasser. Da die Tiefenverhältnisse und damit die Strömungen sehr wechseln, so erfordert die Schifffahrt eine recht intime Bekanntschaft mit allen Zeichen. Ich werde immer an Marc Twain's " Leben auf dem Missisippi“ erinnert, wo diese eigenartige Wissenschaft und ihr Einfluss auf das Leben und Treiben der Bevölkerung außerordentlich anschaulich geschildert wird. Auf dem Bild 18 von dem Ta‑tung‑tan sind einige Sachen von Interesse sichtbar: Man sieht die Felsinsel in der Mitte die Strömung teilen. Mein Hausboot ist auf dem rechten Ufer hinaufgeschleppt worden, ziemlich dicht am Ufer, um den Hauptstrom zu vermeiden. Das vom rechten Ufer aus vorspringende Geröllfeld mit den großen Blöcken drückt den Strom ebenfalls gegen die Mitte des Flusses hin, man sieht die Schaum­kämme hinter den am Ufer befestigten Booten.

 

 

 

Ta-tung-tan

  

 

 

Formation oberhalb Ta-tung-tan

 

An dieser Stelle angekommen, kreuzt das Boot diesen Stromstreifen. Das ist immer ein spannender Moment, spannend für alle Insassen – Zuschauer, aber besonders auch für das Seil. Die Treidler, angefeuert durch anhaltende Trommelwirbel von der Dschunke aus und durch Gebrüll und bisweilen auch durch Bambushiebe seitens der "Vormänner", die weniger weh tun als klatschen, legen sich mit Macht alle auf einmal in die Gurten, die Hände berühren die Erde, tief beugen sich die Kerle nieder, die ganze Gruppe sieht wie eine Hammelherde aus. Fächerförmig strahlen die Zugleinen der Leute von dem großen Seil aus. Aber nur Zoll um Zoll rückt das Boot vor, vom Strom rechts und links gezerrt und mit Hilfe des Bugruders immer wieder in Richtung gebracht. Wenn das Tau bricht, vielleicht an einer Geröllkante durchgerieben, dann wehe dem Boot, das nicht rasch genug herumschwingen kann! Bei höherem Was­serstand und starkem Strom sind große Dschunken schon mit solcher Gewalt auf die Felsen gesetzt worden, dass nachher nur noch Trümmer auf dem Wasser schwammen. Eine kleine Dschunke sah ich hoch über dem jetzigen Wasser auf einem Felsblock sitzen, der Boden war direkt durchgedrückt und die beiden Bootshälften nach unten gebrochen. 

 

 

Oberhalb Nin-ko-tan. Gestrandete Dschunke

 

Bei den Schnellen entsteht immer eine kleine Stadt aus Hütten aus Bambusmatten. Hier sammeln sich die Treidler, denn für die Schnellen nimmt jede der Dschunken Vorspann, ganz große bis zu 100 und viel mehr. Auf dem Bild sieht man im Vordergrund eine Gruppe Treidler. Sie sind nicht in angestrengter Tätigkeit, sie gehören zu dem Fahrzeug mit dem eigenartig Mastbaum­gestell, das noch nicht die starke Strömung erreicht hat(ein sogenannter "Wu‑pan", 5‑Bretter, die kleinen Kähne heißen "San‑pan 3‑Bretter) weiter sieht man an der Felsinsel und auf den Steinen dicht am rechten Ufer sowie in den ins Wasser vorgeschobenen Booten Leute. Diese fischen. Die Fische werden durch die starke Strömung mitgerissen, sie streben gegen die Strömung an, haben aber nicht die Kraft aufzuschwimmen und treiben hinab, den Kopf gegen den Strom. Die Fischer fahren mit langen Hamen (Netze wie Schmetterlingsnetze, nur größer) in der Stromrichtung tief auf dem Grund durchs Wasser und fast mit jedem Zuge fangen sie Fische, oft recht große, 50cm lang und darüber. Die Fische werden "geklippt", am Rücken aufgeschnitten und flach auseinander geklappt, dann mit Salz eingerieben und an der Luft getrocknet.

 

 

 

 

 

 

 Mein Hausboot zu Berg bei Ta-tung-tan

 

28.März 1906

Gestern habe ich bis fast 1 Uhr Photographien entwickelt, dabei kommen alle so elend langsam, ich weiß gar nicht, was das ist, unterbelichtet sind sie nicht, das ist sicher, denn jede Einzelheit ist darauf, nur kann ich die Platten nicht dicht bekommen, alle müssen verstärkt werden. So versäumte ich die Einfahrt in die Schnelle, in welche der erste deutsche Dampfer, der durch die Schnellen fahren wollte, die Lin‑jang unterging, den Kung‑lin‑lan. Ich erwachte von dem fürchterlichen Schwanken und davon, dass meine Waschgegenstände anfingen, in der Kabine umherzufahren. Die Schnelle ist sehr eklig, mitten im Fahrwasser liegt ein großer Felsen und gerade hier ist eine scharfe Biegung. Nach Passieren dieser Schnelle tauchen wieder gewaltige Berge auf. Der Strom wird ganz eingeengt und steile Felswände fallen fast senkrecht ins Wasser ab. Wir machen am Südufer (linkes) fest. Auf meine Frage erhalte ich Bescheid, der Wind sei zu stark, getreidelt könne nicht werden und gegen Strom und Wind könne man nicht rudern, man müsse bis Nachmittag warten. Es weht nämlich früh Bergwind (Chia‑Jong, Niederwind nachmittags,Talwind (Schang‑jong) Aufwind) mit ziemlicher Regelmäßigkeit. Die vor uns liegende Schlucht ist die Yo‑gan‑ma‑fe‑chia.

Sie macht einen ganz gewaltigen Eindruck. Die einengenden Felsen sind so steil und so hoch, dass man sich wie in einer Wanne befindlich vorkommt.

 

Bei Biegungen des Flusses schieben sich die Bergwände so kulissenartig hintereinander, dass man meint, es ginge überhaupt nicht weiter. Nachmittags um 2 Uhr etwa geht es los, der Wind hat nachgelassen und wir rudern, in Begleitung einer ganzen Zahl von Fahrzeugen, die alle hier gewartet haben in die fjordartige Schlucht ein. Nach einer kurzen Strecke biegt der Fluss nach Norden um, am jenseitigen Ufer gerade in der Ecke liegt ein Bergkegel wie ein Zucker­hut. Er bildet nach Ansicht der Chinesen mit den angrenzenden Bergen einen Sattel: Ma‑an‑tze‑schan = Pferdesattelberg. Das Ufer, an welchem wir uns fortbewegen, ist absolut steil. Ganz hoch, etwa 100 Fuß oder mehr über dem jetzigen Wasserspiegel ist ein Pfad teilweise in den Fels eingehauen, es ist der Treidelpfad bei Hochwasser. Heute schon kletterten an einer Stelle unsere Treidler über eine Felsnase, wobei ich jeden Augen­blick glaubte, einer würde ins Wasser herabstürzen. Schwin­delgefühle scheinen die Kerle nicht zu haben. In dieser ganz steilen Felswand zeigte sich etwa 10 m über dem Fluss ein Loch, aus dem eine ziemlich wasserreiche Quelle aus dem massi­ven Kalkstein hervorsprudelte. Der Felsen an der Biegung gegenüber dem Ma‑an‑tze-schan ist der Yo‑gan‑ma‑fe. 

 

 

 

 

Yo- gan-ma-fe-chia, Pfad im Felsen eingehauen, links Quellen

 

Hier setzten alle Dschunken Segel und unter furchtbarem allge­meinem Geschrei umsegelten alle das Kap. Die Dschunken sehen so ungeheuer plump aus. Welche Fahrt die Dinger aber bei gutem Wind machen können, glaubt kein Mensch, der nicht drauf­ gewesen ist. Uns wäre es beinahe schlecht bekommen. Wir wollten an einigen Dschunken vorbei, kamen in den Strom. Die Kerle hatten nicht ordentlich aufgepasst und plötzlich liefen wir direkt auf das rechte Ufer los. Trotz aller Ar­beit mit dem Bugruder war der Strom stark genug uns gegen die Felsen zu drücken, das Segel brachte der eine Kerl nicht los und mit Macht rannten wir auf, zum Glück auf eine flach ansteigende Felsplatte. So ging die Sache noch gut ab, war es ein spitzer Fels, dann saßen wir, oder wenigstens meine schönen Kisten im Yangtse. Nachdem Durchsegeln dieser Schlucht öffnet sich das Land wieder etwas, indem die Berge wieder zurücktreten. Mit noch ganz ordentlichem "Schang‑fong" segeln wir (dabei aber immer noch gezogen!) bis in der Ferne wieder sich die Berge zusammenschließen.

 

Am nördlichen Ufer wird ein großes Geröllfeld sichtbar, auf welchem es von Menschen wimmelt. Es ist der

Yin-tan, eine eigentlich aus 3 Schnellen bestehende Stromschnelle. Auf einer Photographie sieht man gut das vorgetriebene Geröllfeld und die Bergnase gegenüber, die vom Fluss nur un­vollkommen fortgespült wurde. Im Vordergrunde ist eine größere Anzahl Treidler fächerartig am Zugtau befestigt. Das Zugtau ist um einen Felsblock geschlungen und wird immer nachgezogen, wenn die Treidler einige Luft gewonnen haben. 

 

 

 

 

 

Ganz hinten, an der Spitze des Geröllfeldes ist die Dschunke sichtbar, sie kämpft in dem Hauptstrom, unaufhörlich klingen die Trommelwirbel herüber, beantwortet von dem taktmäßigen singenden Stöhnen der Treidler. Da eine ganze Reihe Dschunken vor uns durchgeschleppt werden, so bleibt das Hausboot liegen. 

 

 

Treidler, unterer Hsin-tan

 

Ich steige aus und quäle mich durch das Trümmerfeld hindurch an das höhere Nordufer stromaufwärts wo über Fluthöhe das Treidlerdörfchen saß. Auch Händler haben sich hier eingerichtet um Tabak, Mehlkuchen u. Bohnenkuchen zu verkaufen. 

 

 

 Treidlerdorf

 

Durch den Uferfelsen wird hier die zweite Stromschnelle auf den Nordufer und durch eine vorspringende Felsnase die größte 3. auf dem Nordufer gebildet. Auf einem Bild, aufgenommen von dieser am Südufer vorspringenden Felsnase sieht man den Fluss aus dem Engpass (Chia) zwischen steilen Felsen herauskommen.

 

 

 

 

Eingang Nin-gan-ma-fe

 

 

 

 

 

 Nin-gan-ma-fe Schlucht

 

 

 

Nin-gan-ma-fe Schlucht

 

 

 

 

Nin-gan-ma-fe Schlucht

 

Hier hat er sich ein tiefes Bett ausgefressen, das ausgebrochene Gestein hat das Becken hinter dem Gebirgsrücken ausgefüllt, und die Geröllfelder und Querbarrieren aus Felsblöcken gebildet, welche nun das Wasser zwingen, in der Zeiteinheit in der gleichen Menge über eine flache Stelle zu gehen, also eine Stelle größerer Stromgeschwindigkeit zu bilden. Das Rotboot ging durch die beiden ersten Schnellen auf dem Nordufer neben mir hinauf. Das Hausboot sah ich, nachdem es die erste Schnelle nördlich passiert hatte, plötzlich nach dem Südufer hinuntergehen, während eine ganze Reihe anderer Dschunken auf dem linken Ufer blieben.

 

 

 

 

Treidlerdorf

 

Da das Hausboot bei schon eingebrochener Dunkelheit vor der zweiten Schnelle festmachte, krabbelte ich die mächtigen Felstrümmer außen des Nordufers bei den letzten Häusern hinunter zum Ufer ins Rotboot. Wir fuhren erst auf dem Nordufer mit der Gegenströmung der obersten Schnelle bis dicht unter dieselbe und dann immer gegen den Strom anliegend quer hinüber ans Ufer (Süd). Dort trieben wir dann quer bis dicht vor die zweite Schnelle, dicht davor legte der Steuerer sein mächtiges Ruder herum und mit wahnsinniger Fahrt sausen wir durch die Schnelle.

Sobald wir hindurch sind, lenkt der Mann dem Ufer zu, wir kommen hier in die Gegenströmung und landen mit großer Genauigkeit neben dem Hausboot. Da hier kein Fahrzeug Anker führt, so wird ein großer Pfahl schräg voraus beim Anfahren zwischen die Felsen getrieben und mit dicken Tauen an Bord festgemacht.

 

 

 

 

 Oberer Hsin-tan, Vogelperspektive

 

 

 

 

 Oberer Hsin-tan, Talfahrt

 

 

Von Bord aus sah ich noch einen spannenden Zwischenfall. Eine große Lastdschunke (sie ist in dem zuvor erwähnten gerade im Begriff, den kleineren oberen Abschnitt der obersten Schnelle zu nehmen) war gerade dabei, die oberste Schnelle auf dem Nordufer zu forcieren, als sie mit einem Male wie aus der Pistole geschossen mit dem Bug in die Hauptströmung hinaus schoss und quer stromab trieb:

 

 

 

 

Oberer Hsin-tan Talfahrt

 

Das Seil war gebrochen. Sie trieb rasend in dem furchtbaren Strom (es sollen je nach dem Wasserstand 6 - 12 Knoten Strom hier laufen!) quer durch den im Bild sichtbaren obersten Fall(im Höhenunterschied)zu uns herüber. Aber in dem obersten Fall schon gelang es der Mannschaft mit dem Bugruder wie toll zu 6 - 8 Mann arbeitend, das Fahrzeug richtig vor den Strom zu bringen und sie konnten noch vor dem zweiten Fall an unserem Ufer für die Nacht festmachen. Die Schnellen machen im Großen und Ganzen keinen so gefährlichen Eindruck. Aber wenn man mittendrin steckt und fühlt, welch ungeheurer Druck auf dem Schiff lastet, wenn man die furchtbaren Wirbel hier und an anderen Stellen des Wassers wie aus unterirdischen Klüften an die Oberfläche hervorbrechen sieht, dann merkt man erst, wie ungeheuer die Wassermassen sind, die hier zu Tal schießen.

Die Felsen sind überall durch die Treideltaue ausgeschliffen, einzelne sind ordentlich mit Spiralgängen versehen vom Umlegen der Seile und in aufrechtstehende Platten und Kanten von Felsschollen haben die Taue richtige Kämme eingeschnitten.

 

Am nächsten Tag, 29.März 1906, mussten wir erst warten bis die große Dschunke durch die oberste Schnelle hindurch war. Während dessen fotografierte ich einige zu Tal gehende Dschunken. Aber nur eine ist wenigsten leidlich scharf geworden: Die Geschwindigkeit mit der sie in die Schnelle teils hineingerissen, teils zur Erlangung der nötigen Steuerfähigkeit hinein gerudert werden, ist zu groß.

Der Mast wird längsseits festgemacht, das Bugruder durch angelaschte Bretter und Balken womöglich noch verlängert u. steif gemacht, ist mit mehreren Leuten besetzt und stets fertig zum Herumwerfen des Fahrzeugs. An den Seitenrudern wird krampfhaft gearbeitet.

Man sieht auf dem Bild jederseits drei Ruder, es ist eine der großen Salzdschunken.

 

 

 

 

Oberer Hsin-tan Talfahrt

 

So sausen die Dschunken, eine nach der anderen unter mächtigem Gesang und Trommel u. Feuerwerk (zur Beschwörung des Wasserdrachens, nicht aus Plaisirvergnügen) hinunter.

Es ist ein famoser Anblick, die ganze Szenerie, das rauschende Wasser, die wilden zackigen Felsen und das Gebrüll regt ordentlich auf. Der Verkehr auf dem Fluss ist ganz gewaltig. Geht doch Import und Export fast ausschließlich auf diesem einen Wasserweg. Eine Handelsstraße sollte gebaut werden am Flussufer, sie ist aber ein Torso geblieben, da sie in der Mitte des Wu-schan-ta-chia aufhört: Chang-chi-tung hatte kein Geld mehr für Wege übrig.

Nach Passieren der Flussenge oberhalb des Chin-tan fahren wir in offenem Gelände, aber immer eigentlich in Stromschnellen. Ein früher einmal jüngeres Weib ist an Bord, die sich so ziemlich das Regiment anmaßt. Die lebt in beständigem Zwist mit dem Lotsen und aus diesem Kompetenzkonflikt entsprangen heute eine große Reihe Unzuträglichkeiten. Der ganzen Mannschaft bemächtigte sich eine gewisse Unruhe und Unsicherheit und der Erfolg war, dass wir mehrfach bei ziemlich starkem Wind an- und auffuhren. Dabei kam es zu fürchterlichem Gebrülle, mein Teegeschirr und alles nicht niet- und nagelfeste rutschte auf die Erde u. es war ungemütlich. Ich ließ der alten Dame durch den Boy sagen, ich würde ihr den Schnabel zunähen, wenn sie nicht ruhig wäre und dem Lauban drohte ich, wenn wir nicht besser führen, würde ich dem Commissioner und dem Konsul berichten und dann bekäme er keinen Auftrag mehr. Der Lotse sagt nur ganz ruhig, dass alte Weib sei fong-tse, d.h. verrückt und schimpfte auf die Bootsleute und die Treidler, weil sie auf die Alte gehört hätten. Es beginnt warm zu werden und der Khaki kommt zu seinem Recht. Die Sonne brennt ganz mächtig in die engen Schluchten hinein und nachts, wenn wir angelegt haben strahlen Felsen und Sand die aufgesaugte Hitze aus.

 

 

Photos aus der großen Wu-chan-Schlucht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vielleicht ist eine Schilderung der Reiskocherei der Chinesen von Interesse. Ich habe hier die ausgiebigste Gelegenheit, sie bei der Bereitung ihrer Speisen zu beobachten und ich muss sagen, ich bin angenehm überrascht, wie verhältnismäßig sauber sie dabei zu Werke gehen. Sie sind viel sauberer, als ich es vielfach in der Heide und im Oldenburgermoor zu beobachten Gelegenheit hatte.

 

Der Reis wird mit vielem Wasser geschwemmt, bis das Wasser klar abläuft, dann kommt er in einen Eisenkessel, der auf einem kleinen Ofen steht und wird gekocht, bis die Körner aufgequollen sind. Hierauf wird er aus dem Wasser genommen und nun kommt das Dämpfen. Dazu muss ich den Ofen etc. beschreiben.

 

 

 

 

Der Ofen ist aus feuerfestem Ton gebrannt und wird mit den berüchtigten chinesischen Briketts geheizt, die aus Kohlenstaub und Lehm, geknetet und gepresst werden.

Der Reis wird in den Holzkübel gefüllt, dessen Boden aus einem nach oben gewölbten, außerdem mit einen Stück grobmaschiger Leinwand bespannten Korbgeflecht besteht. Nun kommt eine kleine Quantität Wasser in den Kessel, der Holzkübel wird darüber gestellt und rings um ihn herum ein Stück Leinwand in die Nische zwischen Kessel und Kübel eingepresst. Das Tuch wird nass gemacht und so ein dampfdichter Abschluss hergestellt. Auf den Reis kommen häufig noch Schüsselchen mit Fleisch und Gemüse. Alles wird mit dem Holzkübel zugedeckt, in welchem der Reis gewaschen wird und nun gefeuert. Bald kocht das bisschen Wasser in dem dünnwandigen Kessel und der Dampf wird durch den Geflechtboden in und durch den Reis hindurchgepresst.(Übrigens ein Wink, wie man im Notfall Verbandstoffe sterilisieren kann) Der Reis sieht blendend weiß aus, jedes Korn ist gesondert und fast absolut trocken, nicht solche schmierige Masse, wie gewöhnlich in Deutschland. Auch mit ihrer sonstigen Kocherei sind sie recht sauber, sauberer jedenfalls, als mit ihrer eigenen werten Person, obwohl ich zu meinem Erstaunen sah, dass vor dem Essen allgemeines Händewaschen der Treidelkulis stattfand. Das Gemüse, meist Kohl, wird sehr sorgfältig geputzt und gewaschen. Das Komische sah ich gestern: Die Bootsmannschaft hatte Schweinefleisch von einem auf dem Fluss umherfahrenden Händler gekauft und ich sah nun, wie der Koch mit einer Pinzette von etwa 1 Fuß Länge, die hinten in ein Messer auslief, einzelne stehengebliebene Borsten einzeln ausraufte! Der von mir rezitierte alte Kalauer, das Schwein hätte sich nicht ordentlich rasiert, erregte ungeheure Heiterkeit. An Zutaten haben sie alle möglichen Pickler oder Peekler [15], gekostet habe ich sie nicht, gewöhnlich sind sie, wie die japanischen Sachen ekelhaft salpetrigsalzig. Mein Boy entpuppt sich als ganz vollendeter Koch: Puddings, selbst Kuchen gelingen ihm. Ich glaube alle Chinesen gehen mit großen Wohlgefallen und Eifer an die Kocherei heran, da sie selbst von Natur mächtige Schlemmer sind. Das kann man an der einfachsten Kulinahrung sehen. Die nehmen zu ihrem Reis eine solche Menge kleiner Schoten ? [16] , wie auf einer richtigen Curryplatte "Sundrier"  sind. Curry macht der Boy natürlich auch.Da die hiesige Kohle unendlich viel Schwefel enthält, so stinken diese Kohlenfeuer ganz infam. Die Kessel sind die überall in China gebräuchlichen sehr dünnwandigen Gusseisenkessel, die ungemein wenig Heizung beanspruchen.

 

 

[15]  Wort leider nicht eindeutig lesbar  

 

 

[16] Wort leider nicht eindeutig lesbar  

 

 

Am 3o.März 1906 brechen wir wie gewöhnlich um 7 Uhr auf. Es verspricht ein schöner Tag zu werden, besonders, da "Chia-fong" Untenwind d.h. stromaufwehend herrscht. Wir unterstützen daher die Treidler durch das Segel. Um 8 Uhr fahren wir an einem auf dem Südufer ganz isoliert stehenden sehr anmutig (von weitem) sich ausnehmenden Tempelchen vorüber. Unterhalb desselben ist eine kleine Schnelle, gebildet durch einen Felsvorsprung am Nordufer. Dieser fiel mir auf, denn er besteht aus einer roten Gesteinsart, die ich für Rotsandstein halte in fast senkrechter Schieflagerung, also wie Eisschollen aufgerichtet.

Dies fiel mir auf, weil in einem Buch von Archibald Little [17] "The Far East" Sandstein hier noch nicht eingezeichnet ist. Ich will Little fragen, ich habe ihn und seine Frau in Shanghai besucht, sie kommen bald auch nach Chunking hinauf. Auf diesem Rotsandsteinuntergrund lagen eine Menge mächtiger grauer Kalksteinblöcke, vielleicht auch Granit und Gneis.

Um 9 Uhr nähern wir uns dem Ye-tan, bei diesem Wasserstand einer der größeren Schnellen, welche mit vielen die Eigentümlichkeit teilt, bei höherem Wasser weniger schwer passierbar zu werden, da dann die Geröllzunge überschwemmt wird, die in Gemeinschaft mit einem am Südufer vorspringenden Felsen bei Tiefwasser den Grund für die Stromschnelle bildet.

 

[17]  Kaufmann und Schriftsteller geb. 1838 und verst. 1908  
 

 

 

Ye-tan , Im Hintergrund das Französische Kanonenboot Olry

 

 

 

Wir trieben mit dem Gegenstrom am Nordufer an einem mitten im Fluss liegenden Felsen dem Sze-tzwang vorbei, bis dicht an den Strom heran, der hart um die vorspringenden Geröllhaufen herumläuft. Dort war schon eine mächtige Lastdschunke bereit die Schnelle zu passieren.

  

 

 


Ich fotografierte ihr Vorderteil, weil man vieles daran sehen kann. Das mächtige Bugruder mit Bedienung, den Lotsen, der dritte Mann vom Bug aus und die beiden Trommler ganz hinten am Rand des Bildes. Dann sieht man 4 Taue. Zwei laufen nach vorne zu den Treidlern, ein drittes querab vorwärts zum Land, wo es an einem Felsblock festgelegt ist.

 

 

Bug dieser Frachtdschunke

 

Ein viertes Tau läuft als Schleife um die beiden ersten herum, die Dschunke wird nämlich sehr pfiffig so gesteuert, dass das Parallelogramm der Kräfte ausgenutzt wird wie bei fliegenden Fähren etwa. Nur dass hier die Ausschläge nicht so groß gemacht werden. Zuerst liegen Ruder und beide Treidlertaue in der Schiffsachse. Das Schiff geht in die Achse der Nordströmung. Dann wird das Ruder nach Backboard gelegt, das Schiff stellt sich in spitzen Winkel zur Strömung, die beiden Treideltaue bleiben in der Zugrichtung. Sie sind hier am Mast befestigt und legen die Entfernung zwischen Treidlern und Schiff fest, repräsentieren in einer Kraft ein Parallelogramm, während der Strom die zweite bildet, das Schiff bewegt sich schräg über den Strom. Zur Sicherung dient das querabgehende Tau und die Schlinge um beide Treideltaue. Nun ist das Schiff im Mittelstrom. Das Ruder wird mitschiffs gelegt, die Schlinge zieht die Treideltaue näher an den Bug, die Trommelschläger bearbeiten wie wild das Kalbfell und das Schiff rückt etwas vor, während es wieder durch die Strömung ans Ufer und in nördliche Strömung hinein getrieben wird, aber etwas stromaufwärts. Dasselbe Experiment wiederholt sich dann. Glatt auch nur gegen den Mittelstrom anzutreideln ist unmöglich.

 

Ein Photo zeigt dieselbe Dschunke im Moment, wie sie gerade aus der Nordströmung hinausgelangt. Man sieht sehr hübsch, wie die Bambusraahen abwechselnd zwischen den einzelnen, das Segel bildenden Leinwandbreiten hindurch gesteckt sind. Die großen Taurollen sind Treideltaue mittlerer Stärke aus gespaltenem Bambus.

An der Stelle der stärksten Strömung waren wieder Fischer in Tätigkeit. Das sah ich schon am Ta-tung-tan.

 

 

 

Frachtdschunke im Yeh-tan (Berg)

 

 

 

 

Yeh-tan, Geröllfächer, Fischer

 

Aber hier sah ich etwas, was wohl einzig in seiner Art sein mag. In diese furchtbare Strömung tauchen Kerle u. fingen auf dem Grund, reichlich 3 m tief, Fische mit der Hand, sie brachten sie im Mund haltend schwimmend an Land. Und nicht etwa, dass der Fang selten gelang, nein, fast jedes Mal brachten die Kerle Beute herauf! Widerwärtig sah es aus wie die Fische, die sie am Kopf zwischen den Vorderzähnen gepackt hielten, um sich schlugen. Fische sind furchtbar billig, ich kaufte einen von 16 Kätty d.h.über 20 Pfund für

80 ctr. = 1,60 M. Im Laufe des Nachmittags gingen wir noch durch zwei kleine Schnellen, den Ba-to-tan und den Tjo-ko-tan, in letzterer riss unser Tau und wir sausten stromab, kamen aber schon nach etwa 100 m wieder an eine Gegenströmung, die uns zum Stehen brachte. Ich dachte so bei mir, es ist doch recht nett, wenn  man das Bewusstsein hat, im Schwimmen einigermaßen etwas leisten zu können. Übrigens bin ich fest überzeugt, dass es eine ganze Reihe von Leuten gibt, welche die Gefahr gar nicht ahnen würden, da sie die Gewalt einer solchen Strömung nicht kennen.

  

Am 31.März 1906 ging es zuerst zwischen hügeligen, teilweise bebauten, teilweise mit Sand und Geröll bedeckten Ufern bis 12 Uhr. Dann kamen wieder hohe Kalksteinfelsen, spärlich von Vegetation bedeckt in Sicht. Es ist dies der Beginn der 22 englischen Meilen langen Wu-san-ta-chia. Am Eingang liegt am Nordufer sehr malerisch auf einem vorspringenden kleinen Bergrücken Kuan-yin-miau, ein Tempel der Göttin Kuan-yin, ich glaube eine Personifikation Buddhas des Gütigen oder Barmherzigen. Der Eingang in die Schlucht heißt Kuan-du-ko (Mund). Die Felsen sind so steil abfallend, dass kein Treidelpfad bei niedrigem Wasser vorhanden ist. Bei Hochwasser wird der schon in der Yo-gan-ma-fe-Schlucht erwähnte eingehauene Pfad benutzt. Es wird also den ganzen lieben Tag unter schönstem Gesang gerudert. Der Kalkstein der Uferfelsen feiert Orgien in Formationen.

 

 

 

 

Kalksteinformation Potholes (Schlaglöcher)

 

Hier ist eine Stelle, wo es aussieht, als sei ein mächtiger Stoß alter Zeitungen verbrannt und nicht ganz verkohlt hingeworfen, wie Papierblätter von etwa

1 Fuß Dicke liegen die Schriften schräg übereinander. An anderen Stellen sieht man dicke Platten wie Eisschollen im Packeis emporragen. Wieder weiter sieht der Kalkstein wie Tuffstein aus, wie versteinerte riesige Badeschwämme. Dort sind ganze riesige Felspartien, die aussahen, als sein ein Block Butterbrote Pumpernickel und Weißbrot abwechselnd aus der Riesenzeit hier liegengeblieben und versteinert. Die weißen Schnitten sind ausgewaschen, die schwarzen härteren ragen vor, bilden auch die Oberfläche, die zerfressen und zerlöchert ist. Auf Seite :: über den Pin‑schan- Gorge erwähnte ich senkrechte Rinnen in den Kalksteinfelsen und führte ihre Entstehung auf Regenwasser zurück. Hier ging ich an Land und untersuchte die Sache näher, da ich mich aus einem anderen Buch von A. Little "Through the Yangtse Gorges" einer Bemerkung darüber erinnerte. Ich fand das dort erwähnte bestätigt, aber in weit größerem Maßstabe, als Little angibt (wenn ich mich recht erinnere). Die Rinnen sind Halbröhren, die Röhre ist ein richtiges Bohrloch und zwar ist die bohrende Kraft die Strömung und das Werkzeug harte Geröllsteine. Ich fand in den kreisrunden, sich nach der Tiefe verjüngenden Löchern, deren Wände wie poliert waren, häufig noch die harten Geröllstücke liegen. Ich versuchte, die Sachen zu fotografieren, habe aber wenig Erfolg gehabt. Auf dem einen Bild 38 (das Rotboot ist in Vogelperspektive im Fluss sichtbar) sieht man in einer Platte im Vordergrund mehrere Löcher, die Halbkanäle in den Klippen sind nicht so deutlich.

 

 

 

 

Uferfels mit Potholes (Schlaglöcher)/Bild 38

 

Ein zweites Bild (Bild 37) zeigt eine ganze Klippenwand mit den senkrechten Bohrkanälen, bisweilen laufen die Kanäle gewunden, als ob Würmer den Stein durchwandert hätten, so etwa versteinerter Schweizerkäse. Auch hier wieder sah ich Rotsandstein und auch eine Kohlenmine, ein Beweis für sedimentäre Gesteinsformationen.

 

 

 

 

Kalksteinformation kanallierte Partie /Bild 37

 

Die Berge sind über Hochwasserhöhe bewachsen, Kultur ist fast gar nicht vorhanden. Auf dem Fluss verkehren daher eine Menge fliegender Händler. Auch eine Höhlenwohnung sah ich, ob sie noch aus Urzeiten stammt (wie festgestellt ist) konnte ich nicht feststellen.

An einer Stelle, wo der Fluss eine große Sanddüne aufgeworfen hat, blieben wir über Nacht.

Am 31. ging es im Gorge weiter bisweilen unter überhängenden Felsen, dann wieder durch eine kleine Schnelle, wo ein einmündender Bach den Fluss mit Geröll aufgefüllt hat.

Wir passieren Kuei-chow (habe währenddessen geschlafen!) und

Wu-san-chian, die Grenze zwischen Hupeh und Sze-chuan. Hier endet der Weg, der eine Landhandelsstraße nach dem Inneren bilden sollte. Aus Geldmangel, wie gesagt, ist die Hupehstrecke nicht fertig gestellt. Wir übernachten noch einmal in der Schlucht; gegen Mitternacht merkte ich mit einem Male eine eigenartige Bewegung im Fahrzeug, ich sah hinaus und siehe da, wir waren gerade dabei uns unfreiwillig stromab in Bewegung zu setzen. Der große Pfahl war aus dem Strand losgekommen und zwei Taue gebrochen. Es war ziemlich starker stromauf Wind aufgekommen, der das hohe Hinterteil der Dschunke gegen den gelinden Strom aufgetrieben hatte. Ich weckte die Leute, die natürlich nichts gemerkt hatten. Eine Wache wird nicht gestellt. Es geht alles sehr harmlos zu. Der Rotbootführer ödete meine Schiffsmannschaft mächtig an, dass sie so vorzüglich verstünden, ein Schiff festzumachen. In einer kleinen Schnelle, Tian-tsch-tan (Springer-Stein-Schnelle), die ein ziemliches Gefälle hat, brach wieder einmal unser Seil. Da aber dicht daneben ein sandiges Ufer war, fuhren wir dort auf. Wir gelangen aus der Schlucht heraus und in offenes Land. Dadurch kamen wir wieder in eine Stromschnellengegend. Vier liegen dicht hintereinander Tio-tse-dre (Läufer-Schnelle), Chung-tze-teang, Szian-wu-tchi und Ta-wu-tchi, durch einen mächtigen Geröllfächer am Nordufer hervorgerufen. Am Ausgang der Wu-san-chia liegt die Bezirksstadt

Wu-san-hsien: Die Schnellen oberhalb und unterhalb der Berge sind hier viel niedriger, die Abhänge weniger schroff, der Boden mehr zersetzt und zum Ackerbau geeignet: Es ist Rotsandsteinuntergrund. Gegenüber von

Wu-san-hsien hat der Fluss große Sanddünen mit steilen Abhängen aufgeworfen. Hier lag eine Schmugglerdschunke, in der Mitte durchgesägt mit angehefteten Urteilsspruch. Ich saß hier am Ufer in der Sonne und wartete auf mein Boot. Ein Bild zum Malen!

  

Um mich herum hatten sich sofort alle in der Nähe befindlichen Chinesen angesammelt, sich friedlich neben mich hingehockt und nun mich interviewt. Wer ich wäre, woher, wohin, wie alt, wieviel Kinder, was das für ein Kasten sei (Photoapparat), wie teuer, was mein Kakianzug koste, was die Perlmutterknöpfe, warum ich anderes chinesisch spräche als sie? Schließlich gab ich keine Antwort mehr und da verzogen sich die Brüder langsam. Es gehört schon eine ziemliche Geduld dazu, zu ertragen, dass sie nicht nur nach allem fragen, sondern auch alles anfassen und die Höhe ist, wenn sie dann ganz ungeniert ihre absprechenden Bemerkungen machen: Ach, er kann unsere Sprache nicht sprechen, er war nur wenige Jahre hier und es dauert 20 und mehr Jahre bis man chinesisch kann ! Damit haben sie ja nun recht. Dass meine Bootsleute aber sich für ganz bedeutend gebildeter erachten als ich, nur weil sie chinesisch verstehen und ich nicht, das war mir doch zu stark. Ich ließ meinen Boy ihnen einmal sagen, wenn sie nur chinesische Bemerkungen über mich machen könnten, die ich nicht verstände, so könnte ich dasselbe in 3 Sprachen tun, die sie nicht verstünden. Das imponierte ihnen! Allgemeines Gelächter, Hochheben des Daumens und Tin-chan, sehr gut, d.h. gut zurückgegeben. Für sowas sind sie sehr empfänglich.

 

Dicht oberhalb Wu-san-hsien krachten mit einem Male Schüsse, aus einer Felsbucht schoss ein Flusskanonenboot und stoppte eine Dschunke. Ein Beamter ging an Bord, jedenfalls um wegen Salz- und Opiumschmuggel zu revidieren. Nachmittags gehen wir durch eine der größten Schnellen, die wieder durch einen einmündenden Bach (in der Regenzeit ein Fluss) mit obligatem Geröllfeld veranlasst ist. Am Nordufer heißt sie Chia-ma-tan (Steige vom Pferd-Schnelle), am Südufer: Chiang-yün-tan. Der Mittelstrom schießt hier ordentlich gewaltig hinunter.

 

3.April 1906

Die Rotsandsteinregion macht sich schon sehr bemerkbar, obwohl noch bisweilen, zumal auf dem Nordufer, Kalkstein übergelagert ist. Die Südufer sind hohe, aber abgerundete Berge, bis hoch hinauf kultiviert, so dass sich das saftige Grün sehr wirkungsvoll von dem freistehenden roten Gestein abhebt. Gleich morgens gehen wir ohne viele Mühe durch zwei Stromschnellen, Sa-li-tze-tan und Tian-tan. An letzterer liegt nördlich ein Kalkvorgebirge, von welchem wohl neuerdings ein kleiner Bergsturz stattgefunden hat, denn von oben heraus einer frisch aussehenden Kluft erstreckt sich eine etwa 50 m breites Trümmerfeld in den Fluss hinunter, nun auch eine kleine Schnelle verursachend. Dicht unterhalb muss eine Dschunke gestrandet sein, man sah nur noch den Boden oben am Abhang liegen, alles übrige Bretter- und Balkenwerk war bis zum Wasserspiegel herunter an der Uferböschung verstreut.

Die Gebirgsformation ändert sich hier fortwährend. Ein Tal fiel mir besonders auf, auf dem Südufer Tsche-kai-chia "die Schlucht, wo die Steine sich geöffnet haben". So eng erschien es auch. Vorn am Ufer kulissenartig sich hintereinander schiebende flachkuppige bis oben hinauf bestellte Berge, dahinter ein sehr hoher Kamm, der plötzlich fast senkrecht zuerst, dann im steilen Abhang in ein Berghochtal abfiel. Letzteres war offenbar Kalkstein, während am Fluss wohl Sandstein den Grundstock bildete. Ich stieg aus und kletterte die flachen Abhänge des Nordufers hinauf, um mir einmal den Weg dort oben anzusehen. Er ist mit großer Mühe und sicherlich beträchtlichen Kosten hergestellt. Da er aber nicht bis Ichang durchgeführt ist, so hat er nur für den Verkehr einiger Ortschaften untereinander Zweck und dieser ist außerordentlich gering. In den Engpässen sah ich ein einziges Mal einen Mann oben entlang wandern. Das Gestein der Hügel hier ist schon sehr stark zerfallen. Wo es zutage tritt, ist es in kleine kubische Stücke zerfallen. Die Äcker sind ganz bunt, rot, braun, ockerfarbig, je nach der Farbe des zerfallenen Gesteins. Angebaut wurden Erbsen, Bohnen, Gerste, Weizen und Erdnüsse, alles stand recht mäßig, zumal auf höher gelegenen Stellen, die wohl erst seit kurzer Zeit in Kultur genommen waren. Nach einer längeren Wanderung kam ich auch an das erste regelrechte Szechuan Bauernhaus: Eine Hütte vorn fast offen in einem Bambusgebüsch untermischt mit Palmen und Koniferen. Die obligaten Köter, Schweine und schmutzigen Kinder und Reisfelder mit ganz ungemäßer Bewässerung von einem bewaldeten Bergabhang her.

Das Boot erreichte ich wieder an einer Stromschnelle, entstanden durch einen Sandsteinkamm, den der Fluss hier durchbrochen hat. Auf beiden Ufern ragten die Reste der fast senkrecht stehenden Sandsteine als Vorgebirge schräg in den Fluss hinein. Um 2 Uhr kamen wir wieder in Gegenden, wo beständig gerudert wird, da ein Treidelfpad nicht besteht. Nebenbei setzt Szechuan Wetter ein, es beginnt sanft zu regnen. Die Schlucht heißt Fong-chiang-chia Wind-Kasten-Schlucht = Blasebalg, ein Teil auch Chē-tsche-chia = Schwarze Felsenschlucht (Pei und Nan-chē-tsche = nord- und südlicher schwarzer Stein).

Die Schlucht ist außerordentlich malerisch, sehr eng und geologisch interessant. Wenn ich nur etwas davon verstünde. Ich kann leider nicht einmal die Gesteinsarten voneinander unterscheiden. Die Schlucht biegt scharf nach SW um. An der Ecke ist auf dem linken Flussufer eine Höhle im Sandstein: Das soll das Windloch sein. An der Ecke kam auch richtig Wind, aber nur gerade da, weil wir vorher durch einen massiven Höhenzug auf dem linken Ufer geschützt waren und nun bei dem Einbiegen in die Windrichtung natürlich aus der Deckung herauskamen. Der Felsen, mit dem Loch u. einige in den Felsen hinein gebaute Hütten heißt Tai-tze-go. Zwei Inschrifttafeln sind auch dort. Leider konnte der Boy sie nicht übersetzen. Sie bezieht sich wahrscheinlich auf die dort entlanggeführte Straße.

 

 

 

 

Steintafel in der Wuchang- Schlucht

 

 

 

Uralte Inschrift in einem Felsen in der Kohleschlucht

 

Die Gesteinsschichtung an den Ufern wechselte wieder. Hauptsächlich lag unten Kalk, der in der beschriebenen Weise vom Fluss langsam abgebaut wird. Über ihm erhebt sich in steilem Aufbau Sandstein zu schwindelnder Höhe, der trotz des Abhanges mit Vegetation bedeckt ist, während der Kalksteinsockel vollkommen kahl ist. Der ziemlich kräftige Wind treibt uns fast ohne die Hilfe der Ruder aus der Blasebalgschlucht heraus. Am Ende (also am eigentlichen Eingang) sind am Nordufer zwei Felsinseln mit eingelassenen Eisensäulen sichtbar, die zum Festmachen von Dschunken dienen sollen. Etwas weiter ragt ein Fels von ganz plumper Gestalt aus dem Wasser, er heißt Jang-sze-chia und soll, glaube ich, ein schlafendes Schaf darstellen.

Nach etwa halbstündigem Segeln wird rechts, also am linken Ufer, eine große Geröllbank sichtbar mit einer Unzahl Strohhütten darauf, zwischen denen fürchterlicher Qualm aufsteigt. Es ist Szo-jenu-tchi = Kochen-Salz-Ort. Ich hatte schon von der Sache gelesen. Dicht unterhalb der Stadt Knei-fu befindet sich auf dieser Geröllbank eine außerordentlich starke Salzquelle, welche bei Hochwasser vom Strom bedeckt wird. Den ganzen Winter und das Frühjahr hindurch wird hier nun Salz gewonnen. An der Stelle der Quelle ist ein mächtiges viereckiges Loch, von wohl 10 m im Quadrat bis tief ins Grundwasser ausgehoben und mit Quadern und Balken abgesteift. Eine Treppe führt hinunter und unzählige Kulis schleppen mit je 2 großen Eimern die Salzlake herauf. Um diesen Schacht in weitem Umkreis sind Klärbassins primitivster Bauart angelegt, in welchen die Salzlake teils unmittelbar eingefüllt, teils mit Bambusleitungen übergeleitet wird. Neben jedem Klärbassin sind 3‑4 Öfen (unterirdisch) erbaut in welchen mittels der in der Gegend (Sandstein!) reichlich vorhandenen, wenn auch mäßig brennenden Kohle fortwährend unter großen Eisenkesseln Feuer unterhalten wird. Das gewonnene Salz sieht recht reinlich aus, riecht aber nach der Kohle oder sonst „brenzlich“. Man gab mir als Zahl der Kessel im Betrieb 300 an, das ist aber so eine chinesische Angabe, denn auf meine Frage nach der Zahl der Klärbassins erhielt ich die Antwort 400. Wir liegen jetzt vor Knei‑fu am Ufer. 

 

 

 

 

 

Knei-fu-chia (Schlucht bei Knei-fu)

 

Leider war es schon zu finster, um einen Gang durch die Stadt zu machen. Den Besuch des Magistrats habe ich mir glücklich abgewimmelt. Dagegen hat mich die hohe Polizei aus mir unbekannten Beweggründen um ein Kamschan, ein hier ja nicht ungewöhnliches Trinkgeld von 1000 Käsch gekränkt. Dem Dolmetscher Wilde und den Franzosen ist es ebenso ergangen, wie ich aus den Eintragungen in dem mir vorgelegtem Buch ersehen konnte. In Ichang hatte man mir übrigens auch einen Dollar abgeluchst und zwar war das eine wohltätige Gilde "Zur Beerdigung nicht reklamierter, im Yangtse gefundener Leichen! Wenn man so im Begriff steht, die Auffahrt durch die Stromschnellen anzutreten, für abergläubische Leute ein recht vertrauenerweckender Anfang.

 

4.April 1906

Den ganzen Tag segelten wir bei recht schönem Wind. Die Landschaft nimmt immer mehr offenen Charakter an. Die den Fluss einsäumenden Sandsteinfelsen fallen nicht mehr steil wie der Kalkstein in den Fluss an, alles ist runder, weicher, mit Vegetation mehr bedeckt. Nur wenn ein Sandsteinkegel irgendwo durch durchbrechenden Kalk aufrichtet (Oberflächenfaltungen und -schiebungen), dann ragt wohl eine Sandsteinscholle höher auf. 

Mir gefällt die Gegend weniger gut, es ist doch mehr "Murr" in den schroffen, zerklüfteten Kalksteinfelsen. Reicher ist das Land hier, die Berge sind hoch hinauf be­baut, Reis habe ich allerdings am Fluss noch nicht wieder gesehen, ebenso noch keine Mohnfelder.

Der Tag verlief ohne Zwischenfälle. Abends noch mussten wir durch eine Stromschnelle, den Ma‑ba‑tan bei dem am Südufer auf einer steil aufgerichteten Sandsteinscholle erbauten Städtchen An‑pin. Ich fuhr im Rotboot hier durch,  es ist ein kleiner aber sehr sicherer Fall (für eine schiff­bare Schnelle natürlich!). Das Hausboot trieb einmal ab und es wurde daher spät und dunkel, ehe alles zur Ruhe kam.

 

5. April 1906

Die Gegend ist dieselbe, der Fluss ruhiger, die Ufer be­wachsen. Die Berge zeigen eine gewisse Regelmäßigkeit, sie sehen aus wie abgestumpfte vierseitige Pyramiden mit natür­licher Trassierung. Das entspricht ihrer Entstehung. Die Provinz Szechuan, das "Rote Becken" Richthofens war früher ein See, in dem sich langsam die dicke Rotsandsteinschicht absetzte. Der Yangtse durchsägte die Quergebirge aus Kalk, suchte sich seinen Weg durch den Sandstein u. zertrümmerte weiter unten (oberhalb des Ichang Gorge) Gneis und Granit.

Als der Yangtse nun das Seebecken freigelegt hatte, mussten die Wasser der Berge ihm zukommen und auch sie gruben sich tiefe Schluchten in den Sandstein, um zur Hauptwasserader hin zu gelangen.

 

 

 

 

 

 


Talpartien am oberen Jangtse, Sandsteingebiet des Roten Beckens

(Ufer zwischen Knei-fu und Wan-hsien)


 

 Sand- und Lehmaufschwemmungen in einer Bucht des oberen Jangtse, Sandsteingebiet des Roten Beckens

 

06.April 1906

Um 2 Uhr passieren wir wieder zwei kleinere Schnellen, den Mian‑tchi‑tze‑tan u. Tung‑gang‑tze‑tan, und machten vor der kleinen Districktsstadt Yün‑Jang‑ksein fest für die Nacht. Um 2 Uhr passieren wir wieder zwei kleinere Schnellen, den Mian‑tchi‑tze‑tan u. Tung‑gang‑tze‑tan, und machten vor der kleinen Districktsstadt Yün‑Jang‑ksein fest für die Nacht.

"Ein schwarzer Tag", trotz wunderbarsten Wetters. Zuers tbrach gleich beim Passieren einer kleinen Strömung, die nicht einmal einen Namen hat, das Seil. Wir trieben ziemlich weit, ehe es gelang, das Boot fest zu bekommen. Dann ging es weiter bis gegen 11 Uhr, wo der Yin‑lung‑tan kam in Sicht. Als  Zei­chen, dass es hier nicht "so ganz ohne" ist, lagen schon von weitem sichtbar, südlich auf den Felsen eine Menge Lein­wandstücke zum Trocknen, die Ladung einer gestrandeten Dschunke.

 

 

 

 

 Chin-lung-tan, Dschunke zu Tal

 

 

Chin-lung-tan, Bergfahrt

 

 

 

 

Chin-lung-tan, Bergfahrt

 

 

 

 

 

Chin-lung-tan, Bergfahrt

 

 

 

 

Chin-lung-tan, Bergfahrt

 

 

 

 

Treidler am Chin-lung-tan

 

Wir gingen am Nordufer hinauf. Dort lagen eine große Zahl mächtiger Dschunken und warteten ihre Nummer, um hinauf zu gehen.

Die eigentliche Schnelle lag mehr westlich. Die Dschunken im Schutz eines kleinen Felsvorsprunges, der ebenfalls eine kleine Schnelle veranlasst. Wir drängelten an den Dschunken vorbei und wollten durch diese kleine Strö­mung hindurch. Der Gegenstrom und der Shang‑fong warfen uns aber trotz aller Hemmnis und Einsetzen der großen Hemmpfahle heftig gegen den Felsvorsprung. Es gab einen Krach, ich stand in der Kajüttür und sah nach oben: Unser Mast neigte sich noch immer weiter, noch ein Knack und er stürzte, über dem Dach der Kajüte abgeknickt nach hinten auf eine nebenliegende Dschunke.

 

 

 

 

Dschunke mit gebrochenem Mast

 

Das war eine nette Bescherung! Alles schrie, unsere Kerle, die auf der Nebendschunke, kurz Tohuwabohu. Der Mast wurde frei gemacht u. oben verstaut, wir ließen uns durch die kleine Schnelle schleppen und machten oberhalb fest. Ich hatte somit Muße, mir den Betrieb hier ordentlich anzusehen.

 

 

 

 

Mein Hausboot wird durch den Chin-lung-tan geschleppt

 

 

 

 

 Mein Hausboot wird durch den Chin-lung-tan geschleppt

 

 

 

 

Chin-lung-tan

 

Die Schnelle ist ganz neu, 1896 rückte nach einer lan­gen Regenperiode (unleserlich) [18] plötzlich ein ganzer bebauter Bergabschnitt mit Häusern und allen darauf auf seiner schlüpfrig gewordenen Unterlage in den Fluss vor. Dadurch entstand der Yin‑lung‑tan.

[18] 

 

 

  

Die Wassergeschwindigkeit ist rechtbedeutend und die Strömungsstrecke lang, so dass viele Treidler notwendig sind. Es ist auch ein riesiges Dorf hier entstanden. Der Betrieb war mächtig. Es passierten in der Zeit von 11 Uhr an doch sicher alleine 10 Groß­-Dschunken stromauf und mindestens so viele talabwärts die Schnelle. Fortwährend rasselten die Trommeln, um die Treidler zu neuen Anstrengungen anzufeuern. Unser Boot ging auch bald vor den anderen durch, wir machten oben fest und die Leute reparierten den Mast. Es ist unglaublich, welche Geschicklichkeit die Kerle darin haben. Mit einem Handbeil, einer Säge, einem Stecheisen und einem kleinen Hebel, schrägten sie die Mastenden an, laschten sie mit Draht und Bambus zusammen, fügten an dem oberen Ende noch einige Meter Balken, verspleißt mit Bambus als Spitze an und setzten, bei Dunkelheit schon den wieder leistungsfähigen Mast ein. Was sie mit ihren geringen Hilfsmitteln alles fertig bringen, ist unglaublich. Ich sah mir während dieser unfreiwilligen Muße die Treidelei an. Hier treidelt alles, Männer und Knaben, Frauen und Mädchen, Kinder, die kaum ordentlich krabbeln können haben schon den Treidelgurt um. Die verkrüppelten Füße scheinen die Weiber gar nicht zu belästigen, sie stemmen sich recht ordentlich darauf. Einige Bilder von dieser Schnelle sind ganz gut geworden, wenn auch die ent­fernten Berge, wegen des blauen Dunstes immer unklar werden.

 

  

 

 

 

Fong-hsiang-chia (Wind-Küste-Schlucht)

 

 

 

 

Fong-hsiang-chia

 

 

Fong-hsiang-chia

 

Zwei Dachunken lagen hier, die einen Teil ihrer Ladung, wohl der Erleichterung für die Schnellen wegen, gelandet hatten. Die am Lo‑go‑tan verunglückte Dschunke muss wohl auch hierzu gehört haben, es waren dieselben Gegenstände an Bord. Die Sachen gehören Franzosen und ich nahm an, es sind Sachen für ein Hospital: Es lagen hier Eisenrahmen umher, die offenkundig Teile von Bettstellen waren.

 

7.April 1906

Am Morgen gingen wir schon sehr früh, bald nach 6 Uhr los. Der Mast hielt ganz gut und da günstiger Wind war, segelten wir ziemlich bis zum späten Nachmittag. Die Ge­gend wird immer offener, die Bestellung intensiver, bis auf die Bergspritzen hinauf sind überall Felder. Die Tung‑jo (Bäume, aus deren Früchten ein vielfältig benutztes Öl gewonnen wird, Dryandra‑Baum?) stehen in Blüte und geben dem Ganzen in verschiedenen Nuancen Grün schim­mernden Bild die weicheren Lichter. Die Bestellung reicht zum Fluss bis dicht über die horizontalen Sandsteinlagen. Jedes Fleckchen ist bepflanzt, mitten zwischen die Fels­blöcke hinein erstrecken sich schmale Streifchen Grün. Nachmittags gibt es noch eine Schnelle zu passieren Tu‑li‑pan‑tan, welche durch zwei im Strom liegende Fels­inseln gebildet wird. Eine schwer beladene Dschunke passiert vor uns. Ich stand am Ufer und die Dschunke ging dicht neben und unter mir in die Schnelle. Zuerst waren 5 Leute am Vorderdeck. Dann, als die Dschunke nicht vorrückte, spie das Mattendach immer mehr Leute aus. Komisch war zu sehen, was das für Leute waren, an ihren ungeschickten Bewegungen. Sicher waren es Literaten und Schreiber, welche billige Gelegenheit nach oben benutzten. Aber hier mussten sie mit ran an die Ramme. Die feinen Händchen mit den langen Nägeln mögen nachher schön wehgetan haben. Es musste aber doch ein zweites Seil mit Treidlern bemannt werden, um sie hinauf zu schleppen. Wir kamen glatt hin­ durch. Der bisher günstige Wind flaute ab und als wir mit Hilfe des Windes über den Fluss wollten, trieben wir jäm­merlich ab und beinahe jenseits in die Tuli pan‑Schnelle hinein. Dann kam sogar Gegenwind, der bald so stark wurde, dass das Boot kaum aufkam. Schon um 6 Uhr machten wir halt, dass unterhalb einer aufgefahrenen und gesunkenen Dschunke. Der Fluss macht hier einen ziemlich scharfen Knick bei heftigem Wind von oben (Chia‑Jong) war die Dschunke vor 5 Tagen gescheitert. Die Ladung Baumwolle und Opium lag bedeckt am Ufer, die Leute hatten sich aus Matten u. im Kajütendach eine Hütte erbaut. Was sie nun machen wollten, konnte ich nicht eruieren. In der Nacht ging der Wind wieder weiter. Es war voll­kommen Mondhelle, man hätte beinahe nachts fahren können. Schade, dass man Mondschein nicht photografieren kann.

 

8.April 1906

 

Wir sind nur 35 Li von Wan‑hsien entfernt. Ich will daher­ abbrechen und meine Post fertig machen.

Wan-shien liegt am Nordufer des Flusses in einer Bucht, die durch einen vorspringenden Felsrücken oberhalb gebildet wird. Schräg gegenüber von diesem Felsrücken, etwas weiter flussaufwärts erstreckt sich vom Südufer ebenfalls ein solcher Vorsprung in den Fluss hinein. Dort erreichten wir 1903 den Fluss nach dem Marsch durch Hupeh. Beide Felsvorsprünge lenken den Strom vom Nordufer ab, so dass ein ganz netter Hafen entstand: Der mittlere Teil der Bucht ist sandig, es mündet hier in tief eingeschnittenes Flüss­chen ein, welches Sand abgelagert hat. Dies Flüsschen teilt Wan-hsien in zwei Teile und wenn man in beiden etwas zu besorgen hat, ist es recht unangenehm, denn man muss immer die end­losen Treppen hinauf und hinunter klettern.

 

 

 

 

Hauptfluss in Wan-hsien

 

 

 

 

Brücke in Wan-hsien

 

 

Natural Bridge in Wan-hsien

 

Die Straßen sind eng, aber ziemlich rein, das natürliche Gefälle sorgt dafür, dass bei Regen Schmutz und Unrat den Berg hinab ge­spült wird. Läden gibt es massenhaft, auch europäische Sachen sind erhältlich. Vergeblich suchte ich nach einem Photographen, der sonst immer einer der ersten Vertreter beginnender Zivilisation ist, da die Chinesen besserer Klasse sich furchtbar gern fotografieren lassen. Mein Entwickler ist zu Ende und ich muss nun meine Kisten doch öffnen, was ich vermeiden zu können gehofft hatte. Ich schickte mein Rotboot mit einem, wie sich nachher herausstellte, viel zu splendiden Trinkgeld fort und meinen Boy zum Hsien‑Kuan (Distriksmagistrat) mit meiner Karte und der Bitte um Gestellung eines anderen. Nachdem ich mich menschlich gemacht, zog ich an Land, um meine Postsachen zu besorgen. Hier fand ich mich nun in der Stadt gar nicht mehr zurecht, 1903 hatten wir immer Diener vom Yamen als Führer gehabt und dann passt man selbst zu wenig auf den Weg auf und trödelt nur so mit.

 

 

 

 

 

Chinesischer Evangelist in Wan-hsien

 

Schließlich kam ich doch zur richtigen Stelle und wurde von dem englischsprechenden Chinese gebeten zu Mr. Takandor, dem englischen Vorsteher, welcher zum Out‑door‑staff des Customs gehört, zu gehen, ich sei vom Commissoner, Herrn Wolf- Ichang schon angemeldet.

Mr. Takandor wohnt in einem provisorisch gemieteten Chinesenhaus, ein neues Heim wird für ihn soeben erst gebaut, auf den Felsen an der Bucht. Wir kannten uns schon von Chöngtufu her, 1904 war er in Chöngtufu der Postagent. Er versprach mir, meine Post selbst zu besorgen und gab mir dann seinen Boy mit, um mich zu Mr. Taylor, China Inland Mission [19], zu führen, den ich auch 1903 kennen gelernt hatte. Ich war wieder genötigt, von ihm eine Freundlichkeit, nämlich Annahme eines Schecks über 50 Dollar auf die Deutsch­ Asiatische Bank in Hankau zu erbitten. Ich hatte in Ichang zwar 20.000 Käsch mitgenommen, aber das Trinkgeld an das Rotboot hatte ich in meine überschlagenen Ausgaben nicht mit eingerechnet. Ich traf Mr. Taylor nicht daheim, er war auf das englische Flusskanonenboot "Woodlark“ hinüber gegangen, um den Führer desselben, Knox, seinen Gegenbesuch zu machen. Ich traf nur eine Missionarin an, die ich ebenfalls schon 1903 getroffen hatte. Sie war zufällig auf der Durchreise anwesend und hatte eine Station im Innern verwaltet und ging auf 1 Jahr nach England. Sie erzählte mir, dass Mrs. Taylor krank gewesen sei und mehrere Monate zur Erholung nach Tschifu (Bhantung) geschickt worden sei. Sie müsse auf der Rückreise jetzt etwa in Ichang sein. Um 3 1/2 Uhr kam auch Mr. Taylor zurück u. brachte den Führer und den Arzt des englischen Kanonenboots zum Tee mit.

 

[19] Es handelt sich wahrscheinlich um Walter C. Taylor /Quelle: Die Bücher „First Bishop in Western China von W.W. Cassels und Directory of PROTESTANT MISSIONARIES IN CHINA, JAPAN AND COKEA  for The Year 1910, Seite 115

 

Mr. Taylor erinnerte sich unseres Zusammentreffens noch recht wohl und hatte auch einige Karten erhalten, die wir von Balang, Rangoon und Colombo an ihn geschickt hatten. Während das Geld von einer chinesischen Bank besorgt wurde, spielten wir Croquet! Um 6 Uhr verabschiedeten die beiden Engländer und ich uns, nachdem das Geldgeschäft abgemacht war und ich folgte einer Einladung auf die Woodlark um so lieber, als ich dort Mr. Takandor, den Postagenten treffen konnte, den ich am Nachmittag aufzusuchen versprochen hatte.

Der Abend an Bord war sehr angenehm. Die Woodlark ist schon 5 Jahre jenseits der Schnellen und in Chungking sta­tioniert. Die beiden Herren waren schon 1 Jahr oben und bleiben noch eines. Die Engländer haben einen Bungalow, ebenso wie die Franzosen, wo sie wohnen, falls sie nicht den Fluss hinabgehen oder einen Nebenfluss besuchen. Sie erzählten, dass außer den Besatzungen der Kanonenboote über einhundert Europäer in Chungking wären "es wären schon zu viele dort". Der Kommandant des französischen Bootes Orly lebt mit seiner Frau schon lange oben. Die Woodlark wird mich wohl dicht vor Chungking einholen. Sie erwartet den eigentlichen Kommandanten und holt ihn von Chin‑lung‑tan ab. Aufwärts brauchen sie bis Chungking nur 3 Tage. Wir blieben bis 11 Uhr zusammen sitzen, dann fuhren Ta­kander und ich an Land.

 

Ziemlich früh am  9.April 1906‑ machten wir los und gingen bei ziemlich dicker Luft auf das Südufer hinüber. Mein neues Rotboot war angelangt und machte sich durch Feuerwerk be­merklich.

 

 

 

 

 Uferfelsen in der Bucht Wan-hsien, mein Rotboot fährt gerade in das Bild hinein

 

 

Der Nebel stieg bald und es wurde entsetzlich heiß und schwül. Die Ufer zeigen den Sandsteincharakter sehr deutlich. Die Terrassierung und das "Steinhaufenartige", die tiefeingeschnittenen Nebentäler, welche rechteckige Py­ramiden aus dem früher ebenen Sandsteindepot ausgeschnitten haben (z.B. Bei‑shui‑tchi = Weißwasserfluß vom Süden her). Unten am Fluss überall das schon beschriebene horizontale Sandsteinquadernlager. 

 

 

 

Horizontale Sandsteinschichten am Flussufer

 

Auf den Bergabhängen zeigen sich die ersten Mohnfelder, weißer u. roter, meist eine Sorte nur in einem Feld. Der Mohn steht in Reihen und alles Un­kraut ist sorgfältig ausgerodet. Vorläufig herrschen aber Gerste, Erbsen und Bohnen noch über den Mohn. Überall sind Obstbäume und Ölbäume in voller Blüte, sodass die Gegend im Schmuck des vielartigen Grüns einen ausnehmend lieb­lichen Charakter hat. Felsboden ist nur am Fluss und hier und da an den Ecken der Bergterrassen sichtbar. An einer Stelle im Fluss haben wir Pech. Im Fluss liegen weit draußen einige Felsen, um welche wir uns herumschlängeln müssen; Wir müssen 4 X umkehren, immer treibt uns der Strom auf die Blöcke los, sodass wir abfallen müssen. Wir passieren 2 Schnellen: Fu‑tan, eine jetzt kleine, bei Hochwasser sehr bedeutende Schnelle und nachmittags den Sza‑ten‑tze‑tan, wieder durch ein vom Südufer aus vorgetriebenes Geröllbett gebildet.

 

 

10.April 1906

Regen, schwüle Luft. Bei einer kleinen Stadt Wu‑len auf dem Nordufer gehen wir nach Süden hinüber. Gegen Mittag erhebt sich ein tüchtiger "Schang‑fong" und wir segeln mit erheblicher Fahrt gegen den Strom an.

 

 

 

Ufer des Yangtse bei Wu-len, Sandsteingebiet

 

Der Fluss ist bisweilen stark verbreitert, daher flach an vielen Stellen und wir müssen immer weit draußen bleiben. Eine große Anzahl Dschunken fahren in derselben Richtung. Auch einige kleine Wu‑pan's laufen an uns vorbei.

Auf ihnen ist eine Hochzeitsgesellschaft, man sieht alle die Sachen, die dazu gehören an Bord, rote Sänfte, Ahnenaltar etc.. Die Hochzeit findet in Lohe‑ban‑tzai statt.

Dieser Ort ist ausgezeichnet durch einen eigentümlichen Felsen. Ein ganz einsamer Sandsteinblock von etwa 200 ‑ 250 Fuß hoch mit steilen Wänden steht auf einem Hügel, auf dem der Ort liegt.

 

 

 

 

Der Felsen steht mit seiner Schmalseite in der Flussrichtung und ist im Querschnitt dreikantig, oben steht ein Tempel und eine Pagode ist an ihn angebaut, d.h. nur eine halbe, in ihrer Höhe durchgeschnitten. Abends sind wir sehr lange unterwegs, da wir keinen ordent­lichen Anlegeplatz finden können.

 

11. April 1906

Wieder liegt ein dichter Nebelschleier über dem Fluss, der sich allmählich hebt, von der Sonne zerrissen wird und nun als dichte Wolkenballen auf den Hügelkuppen und in den Tälern der Flussufer sich lagert. Das Tal ist bisweilen sehr verbreitert, im Fluss liegen viele Felsinseln, zwischen denen durchzukommen schwierig ist, da bisweilen sehr flaches Wasser dort sich findet und vor allem, weil die Treidler an sehr langer Leine ziehen müssen. Wind ist fast den ganzen Tag nicht da, auch bleibt es fast den ganzen Tag trübe. Etwa mittags um 2 Uhr treffen wir einen von Süden her einmündenden Nebenfluss, der aus einem breiten Tal herab kommt: Tan‑to‑chüe‑ho. Der Berg an seiner Mündung heißt Chung‑chua‑tien (Roter Blumenberg), weshalb? Nachmittags wieder das obligate Bild der Sandsteinberge. Nur an einer Stelle am Südufer hat der Fluss sich sein Bett bis zu den Uferbergen hin gegraben und hier muss der Treidlerpfad künstlich hergestellt werden, es waren dort Treppenstufen aus Quadern hergestellt, diese sind billig und bequem zu haben, denn der Sandstein lag dort in so glatten Platten zerspalten, dass man denken konnte, sie seien kunstvoll behauen. Dicht oberhalb dieses vom Fluss abgebauten Berges war eine Stelle, wo er dagegen einen steilen Wall aus Lehm aufgeschüttet hat. Die abgestürzten Felsblöcke sehen genauso aus wie der fertige Sandstein, genau dieselben Rissen und Spalten durchsetzen die Erdmasse, sodass man sich wohl die Entstehung von Sandstein als Sediment vorstellen kann.

 

Folgende Bilder zeigen die Sandstein-Ufer-Formation zwischen Wan-hsien und Chungking

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schlammufer zwischen Wan-hsien und Chungking

 

 

Auf allen Bergen wächst sehr viel Bambus und zwar sogenannter Blauer Bambus (Lan‑Szu), welcher zur Herstellung der Bambus­seile benutzt wird. An vielen Stellen, auf den Fels‑ und Geröllinseln neben der Fahrrinne und am Ufer waren auch Verkaufsstellen für Taue, die in großen Rollen, wie früher der Rauchtabak in allen Stärken aufgerollt dalagen.

Etwa um 7 Uhr kamen wir nach Tchung‑dscho, einer Distriks­stadt am nördlichen Ufer sehr nett gelegen.

Mir wurde dicht vor (also unterhalb) der Stadt am Nordufer eine kleine schwar­ze Pagode Hsien‑fu‑tze gezeigt, was das eigentümliche an derselben sein sollte, konnte ich nicht entdecken. Die eigent­liche Schutzpagode (Ya‑fong‑schue = welche die Dämonen abhal­ten sollte), die Ban‑ta liegt auf einem hohen Berg am Südufer, weithin sichtbar. Hier wechselt wieder das Rotboot, also wieder eine kleine Kontribution fällig.

 

12.April 1906

Chia‑yü = es regnet! antwortet mein Boy lakonisch auf meine Frage, warum wir nicht aufbrechen. Naja, dann geht es selbstredend nicht. Wenn es regnet, ist Ruhe! Auch Krieg wird bei Regen nicht geführt, wenigstens nicht von anständigen Leuten. Um 10 wird es klarer und wir ziehen los, das Rotboot ist da, drei ziemlich üble Kerle führen es, während zwei ebenso übel aussehende Individuen in Mandarin-Soldaten-Kostüm nichtstuend vor meiner Kajütentür umherlungern. Das gewöhnte ich ihnen gleich ab, denn die Bootsleute haben sowieso Ellenbogenraum auf dem Vorder­deck.

Wieder dasselbe Flussbild, die Uferberge fast von gleicher Höhe, weiß abgestumpfte Pyramiden mit Terassen, bis auf die ganz steilen Stellen bebaut. Übrigens stehen noch auffallend viele Bäume hier, auch Koniferen, nicht nur Nutzbäume. Mohn wird allmählich häufiger und die Färbungen der Felder um so bunter: Schade, dass Fotos keinen Begriff von diesen vielen "Grüns" geben, ich zählte an einem Berg etwa

20 verschiedene Nuancen, vom hellsten gelbgrün armselig stehender Gerstenfelder auf fast sterilem Flusssand bis zum sattesten dunkelgrün der Zypressen. Dazwischen gelber Raps, und weißer und roter, auch violetter Mohn. Dann als "Lichter" Obst­bäume in Blüte.

Wieder liegen Inseln, kaum 1 ‑ 2 m über Wasser langge­streckt im Fluss. Bei einer war ein ganz toller Wirbel. Wir fuhren hinter ihr vorbei ans andere Ufer, ich lag in der Kajüte und las, als mit einem Male die Dschunke sich wie ein scheuendes Pferd zweimal herumdrehte. Da die Ru­derer sich in ihrem Gesang und ihrer Arbeit nicht einen Augenblick stören ließen, nehme ich an, dass das ganze in der Ordnung ist. Ich muss aber sagen, zuerst war ich einigermaßen perplex über dies mir höchst überflüssig erscheinende Manöver. Eine große Dschunke, die mit einem Wikinger“Drachen“ eine frappante Ähnlichkeit hatte (Sie führte ein mächtiges Raasegel und wurde von 4 Paar Ruderern in unserer Manier, d.h. mit dem Gesäß dem Bug zu, also nur nicht mit dem "Wrickrudern“, bewegt. Vielleicht bekomme ich morgen ein Photo, heut war es zu trübe, also dieser mächtige Kasten wurde auch einmal herumgeworfen, rutschte dann aber aus dem Drehzentrum heraus und mit dem Strom direkt auf uns los. Unsere Kerls bauten schon seitlich die vorstehenden Hölzer, Ruderunterlagen etc. ab, es ging aber noch ohne Kollision. Aber das Geschimpfe! Natürlich beiderseits. Etwa um 4 Uhr liefen wir an einer Flussbiegung an einer großen, völlig bebauten Insel vorbei. Am Ufer lagen Blöcke, die wohl kaum hierher gehörten, sie sahen teilweise wie Tuffstein, teilweise wie Konglomeratblöcke [20] aus.

 

[20] Konglomerat: Zum überwiegenden Teil aus Kies oder geröll bestehendes Sedimentgestein

 

Konlomeratblöcke zwischen Wan-hsien und Chungking

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dicht vor unserem Nachtankerplatz lag auf dem Nordufer, etwa in Hochwasserhöhe ein recht eckiger Felsblock mit ei­ner Inschrift in weißen Buchstaben, welche mein Boy nicht mir klar machen konnte. Ich habe sie mir aber aufschreiben lassen, um sie in Chungking übersetzen zu lassen. Wahrscheinlich ist es eine Warnung vor irgendeiner Stromgefahrstelle. Wir fuhren bis zur völligen Dunkelheit, zuletzt noch quer über den noch hier recht  breiten Strom und ankern nun mitten zwischen einer großen Zahl Lastdschunken bei dem Ort Yang‑du‑tchi.
 

 

13.April 1906

Obwohl es wieder sehr trübe ist und auch bisweilen regnet, fahren wir ziemlich früh ab. Richtig beurteilen kann ich die Zeit nicht, da meine Uhr aus unbekannten Gründen plötzlich gestreikt hat. Wenn ich mich recht erinnere, schüttelte jemand zu Haus den Kopf darüber, dass ich noch zwei Uhren á 14 M mitnahm. Wo wäre ich nun mit "den Kennt­nissen“?

Im Großen und Ganzen immer dasselbe, wenn auch fast niedliche Bild. Einige Schnellen werden passiert, so die Tio‑dan‑ké, wo viele Felsinseln das Fahrwasser einschränken und gleich darauf Man‑chi‑tze. Um 12 Uhr passieren wir San‑trä‑tsen am Südufer. Jetzt nimmt der Mohn etwa 3/4 des bebauten Landes ein. Die Pflanzen haben schon zum größten Teil abgeblüht und die Opiumernte hat begonnen.

 

 

 

 

 

 Mohnfelder am Ufer

 

Die Leute nehmen jeden einzelnen Mohnkopf in die Hand und machen mit einem Instrument 5 Risse von der Kuppe bis zum Stiel: Das Instrument ist ein Stück Bambus, in welches vorn 5 Messerchen aus Messing eingelassen sind, die etwa 2 mm voneinander entfernt sind. Aus den Einschnitten quillt nun in weißen Tröpfchen der Saft hervor und trocknet etwas ein und färbt sich bräunlich. Am nächsten Tag wird die herausgequollene Menge abgestreift und an der entgegen­gesetzten Seite des Mohnkopfes dasselbe Manöver wiederholt. Das gesammelte Rohopium wird dann in Kuchen u. Kugeln von bestimmtem Gewicht zusammengeknetet. Es gibt natürlich sehr verschiedene Sorten, die sehr verschiedene Preise er­zielen. In Ichang berechneten wir, dass der Durchschnitts­raucher für Opium weniger ausgibt, als bei uns der

Durch­schnittstrinker, beides im Verhältnis zu seinem Einkommen. Die Sache hat nur einen Haken: Trinken geht schnell, bedarf keiner besonderen Vorbereitungen und Gerätschaften und kann im Notfall, wie unsere Arbeiter zeigen, während der Arbeit betrieben werden, während das Opiumrauchen Zeit in Unmenge raubt. Der schädigende Einfluss auf die Gesundheit scheint nicht so furchtbar zu sein, wenn und das ist meist nicht der Fall, der Raucher sich gehörig ernährt. Um diese das Rauchen hindernden Einflüsse zu um­gehen, essen die Leute jetzt vielfach Opium, in Form von Pillen oder lösen solche in Tee auf. In Wan‑hsien erzählt mir Mr. Taylor, der eine Opiumentziehungsanstalt einge­richtet hat, einen Fall, wo ein Knabe von 4 Jahren (vier!) von seinem Vater opiumsüchtig gemacht wurde. Das Kind steckte stets den Finger in das Opiumbüchschen des rauchenden Vaters und leckte ihn dann ab. Der Junge kam mit 8 Jahren schwer opiumsüchtig in das Opium‑Refuge von Taylor und wurde geheilt. Taylor ist von der ganzen Reihe von Missio­naren, die ich kenne, einer der wenigen, deren ganzer Geschäftsbetrieb mich anheimelt. Da ist kein Seelenfang und kein Showpidgin mit Zahlen von Bekehrten.

Wir gehen doch vor der Distriktstadt Fong-du-hsien ziemlich spät zur Ruhe über.

 

14.April 1906

Wieder schönes, sehr warmes Wetter. Den ganzen Vormittag geht es in schönster Gegend stroman. Leider kann man keine Fernsichten aufnehmen, alles Entferntere ist in blauen Dunst gehüllt, dass auf den Platten Himmel und Ferne denselben starken Effekt auf die lichtempfindliche Schicht hervorrufen. Die mögliche Anwendung einer Gelbscheibe wird durch die dann erforderliche längere Belichtung in meinem Falle verhindert. Aber einige Aufnahmen von Uferregionen sind prachtvoll scharf heraus gekommen. So eine Felspartie am Nordufer mit einem kleinen überdachten Altar hoch oben am Felsen u. einige andere. Um 3 Uhr passieren wir wieder eine Schnelle Du‑sze‑pan‑tan.

An den meisten Stellen jedoch ist der Fluss sehr breit und die Strömung nicht bedeutend. Leider ist nur ganz geringer „Schang­-fong“, sonst würden wir prachtvoll segeln können. Ich benutze die flachen Ufer zu ausgedehnten Gängen. Dabei erzielte ich am Abend zwei recht gut gelungene Aufnahmen von ……..?felsen [21]. Es muss vor Urzeiten hier ein mächtiges Geröllfeld gewesen sein. In dieses sind dann Sandmassen hineingespült worden und das Ganze ist unter starkem Druck zu festem Fels zusammen gewachsen. Auf den Platten erkennt man deutlich die eingelager­ten Steine. Ich versuchte Steine auszubrechen, sie sitzen aber furchtbar fest. Das Ganze sieht aus wie Blöcke, die aus einem makadamisierten Weg ausgebrochen sind. An der Einmündung eines von Südwest her kommenden Flusses (Name?) legen wir an. An der Ecke konnte ich wieder schön verschiedene Sorten Sandstein und ihre Widerstandsfähigkeit gegen die Witterungseinflüsse beobachten. Eine Schicht, meist die oberste, schien sehr hart, war aber in Quadern u. Blöcke zerfallen. Darunter lag eine we­nig harte, sie ist es, welche dem Gebiet den Richthofenschen Namen "Rotes Becken“ eingetragen hat, und welche durch ihren raschen Zerfall an der Luft den fruchtbaren Boden liefert.

 

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15.April 1906

Trübes, schwüles Wetter, vorläufig kein Regen, kein Wind. Wir treideln langsam flussauf, passieren um 11 Uhr, bei be­ginnendem Regen Chien‑tchi‑shang. Dann beginnt es fernab zu donnern, nach jedem Schlag strömt der Regen nur so nieder, so dass wir zweimal festmachen und das Bambusdach für die Treidler aufbauen. Gegen 1 Uhr fährt am Südufer unter furchtbarem Krach ein einzelner Blitz in die Felsen, dass man meint, es bräche alles zusammen. Aber kein weiterer folgt, die ganze ge­spannte Elektrizität hat sich mit einem Male ausgeglichen. Aber der nun niedergehende Wolkenbruch zwingt uns zum 3. Male festzumachen. Später gegen 3 Uhr lässt der Regen nach und wir fahren weiter. Einige Dschunken rudern stromab an uns vorbei, jeder Ruderer trägt einen Bambushut von solchen Dimensionen, dass man ihn als eine Kombination von Hut und Regenschirm bezeichnen konnte. Von den Ufer herüber tönt das Rauschen einer Unzahl von Wasserfällen, die das Regenwasser in ockergelb gefärbten Strömen dem Yangtse zuführen. Trotz der vielen Halte erreichen wir unser Ziel Fu‑dscho doch noch vor Einbruch der Dunkelheit. Die Stadt liegt auf dem Südufer, an der Einmündungsstelle des Fung‑tan‑ho sehr hübsch in Terrassen am Felsen aufgebaut. Im Strom lagen drei größere Boote verankert, welche auf beiden Seiten Schaufelräder hatten, die vom Strom gedreht wurden und eine Mahleinrichtung im Boot in Umdrehung versetzten: Die erste Benutzung der Stromkraft, die ich bisher beobachtet habe.

 

16.April 1906

Wieder Regen! Das cloudy Sze‑chuan macht seinem Namen alle Ehre. Um 9 Uhr passieren wir Li‑du am Nordufer, ausgezeichnet durch zwei rotgetünchte Tempel. Ein fürchterlicher Gestank, sehr "bürgerlich", schon mehr ackerbürgerlich verbreitet sich plötzlich. Er geht von einem Boot aus, das menschliche Exkremente zu entfernten Äckern transportierte. Das Boot ist ein richtiges "Tankboot", nur ein schwimmender Fäkalienbe­hälter. Zu unserem größten Kummer ist etwas "Chia‑fong" aufgekommen u. es tröpfelt fortgesetzt. Um 2 Uhr passieren wir einen Ort auf dem Südufer, ausgezeichnet durch einen großen weißen Tempel auf einem Hügel und durch eine, über einen aus den Bergen kommenden Fluss führende dreibogige Steinbrücke (Tempel Tchi‑tien‑mian).

 

 

 

 

Nachmittags gegen 4 Uhr müssen wir uns um eine mächtige aus Geröll und Sand bestehende Insel herumarbeiten, die gar kein Ende nimmt. Die Gegend wird immer netter, die Vegetation nimmt zu, alles ist mit ver­schiedenen Bäumen und Bambus besetzt.

 

17.April 1906

Trübe, aber kein Regen aber auch kein Schang‑fong, also treideln und rudern ist die Parole. Vormittags gehen wir durch eine Schnelle, die Schan‑yin‑tan, gebildet durch einen vorspringenden Felsriegel, auf welchem mitten in schönem Bambus - und Zypressengebüsch ein großer Tempel, Schan­ yin‑mian, liegt.

 

 

Ich kletterte hinauf. Die Felsecke wird um­gangen auf einem aus den Felsen ausgehauenen Pfad mit Stein­geländer, der reichlich 50 ‑ 60 m über Wasser liegt. Der Tempel selbst schien zu irgendeinem Kloster zu gehören. Er war außerordentlich  sorgfältig rein gehalten und enthielt einen großen Raum mit Tischen und Stühlen. Anwesend waren nur sehr wenige Personen, einer brachte mir aber sofort eine Tasse Tee und forderte mich zum Niedersetzen auf. Das sind doch außerordentlich freundliche u. formgewandte Leute.

 

 

 

Dann kam noch ein höherer Priester oder so etwas und begann ein Gespräch über meinen photographischen Apparat. Er schien die Sache ziem­lich zu kennen, denn er fragte, ob es sehr schnell ginge. Ich zeigte ihm den Schlitzverschluss und über dessen Schnelligkeit herrscht bei ihm und seinen Freunden, die er über die Vorteile aufklärte, ungeheures Staunen. Er meinte dann, es sei wohl ein französischer Apparat. Offenbar hatte er bei durchziehenden Franzosen, die ja sämtlich fotografierten, Apparate gesehen.

Etwa um 4 Uhr passierten wir an einer Schlussbiegung die am Nordufer liegende Stadt Schang‑dso‑shiang. Wie alle Yangtse-Städte liegt auch diese an einer Bucht und am Berghang hinauf­ gebaut. Ganz oben auf dem Berg liegt eine Umwallung, ein chai‑tze oder Zufluchtsort, wie sie hier und in Yünnan über­ all zu finden sind (bei Wan‑hsien liegen 4 auf den Höhen!). Eine sehr feste Steinbogenbrücke verbindet den Hauptteil der Stadt mit einem kleinen, am Abhang eines nebenliegenden Berges gelegenen Stadtteil. Hier wechselt wieder einmal das Rotboot . Es verwandelt sich hier in einen von drei ganz miserablen Kerlen besetzten Sampan. Der Mandarin hätte das gute Boot schon abgegeben. Ich musste also das üble nehmen, sagte aber es sei: bu‑chan (schlecht). Nachher stellte sich heraus, dass die Kerls verstanden, hatten: bu‑jan, ich will nicht, d.h. das Boot, und dass sie zurückgefahren waren. Nur der Soldat trottelt am Ufer mit den Treidlern mit. Ich schickte ihn sofort zurück, er sollte das Boot holen, denn wenn ich kein Boot habe, muss ich immer warten, bis eine günstige Lan­dungsstelle vorhanden ist. Und das ist faul: Wo nämlich tiefes Wasser am Land ist, sind gewöhnlich Felsen u. kein ordentlicher Weg zum Gehen, die ewige Geröllkletterei ist nicht meine Passion. Und wo guter ebener Weg ist, ist flaches Wasser. Abends kam er dann auch mit dem Sampan und einem Mann Besatzung mehr an. Von der Strombiegung an hatten wir günstigen Wind und den benutzten wir gründlich. Alle Treidler kamen an Bord und da der Fluss sehr breit und die Strömung geringer war, liefen wir mit guter Fahrt. Einige Wu‑pan's mit mächtigen Segeln und alle Mann rudernd liefen uns auf und einer sogar vorbei! Da regte sich bei den Treidlern der Point d'honneur (Anmerkung: Ehrensache). Los auf die Ruder, ein betäubender Ge­sang wird angestimmt und gerudert, dass meine Hängelampe in stäter Gefahr ist, herabgeschleudert zu werden. Sie holen denn auch richtig alle Wupans ein und fahren stolz mit Tri­umpfgeheul an ihnen vorbei. Wir machen fest unterhalb eines kleinen Ortes Lo‑tchi am Nordufer. Vor ihm dehnt sich eine  Ge­röllinsel aus, auf welcher in einem Bambushüttendorf Bambusindustrie blüht. Taue, Matten, besonders solche für Dschunkendächer und "Bamboo‑Shavings"= Späne, zum Füllen von Bettmatratzen sah ich anfertigen.

 

18.April 1906

Leidlich klares sehr kühles Wetter "Chia‑fong", also treideln und rudern. Wir passieren einige mindere Schnellen (tchi, im Gegensatz zu tan). Morgen Nachmittag sollen wir in Chungking sein, hätten wir sein können, wenn nicht die Ufer, beson­ders das Nordufer sind weniger "lieblich" als bisher. Der Sandstein ist aufgerichtet und bisweilen liegt nackter Fels am ganzen Abhang als einheitliche Platte zutage. Um 1 Uhr kommen wir an einer Stelle vorüber, wo Kalkstein einem Querbergrücken den Sandstein beiderseits des Flusses durchbrochen hat. Hier waren zwei Kohlenbergwerke. Die Stollen gingen etwa 3 Fuß hoch und 2 breit in den Berg hinein, ein hölzener Schienen­strang führte ins Innere. Die Kohle sah ähnlich aus wie Anthrazit.

Dann kam die "Katastrophe". Am Nordufer sind mächtige Sandsteinfelsen aufgetaucht. An den umfassenden Vorbereitungen der Mannschaft sehe ich, es kommt eine Stromschnelle. Es ist der Ye‑tra-tan "das wilde Maultier". Die Gegend sieht sehr nett aus und da mir der Dschunkeneigner sagt, es sei ein gut zu gehender Weg, so gehe ich an Land und wandere langsam auf einem guten Treidelweg zur Felsecke hinauf. Leider war kein Licht mehr zum typen, der Weg ist nämlich sehr originell und ferner sind die tiefen Rillen im Felsen, in denen das Tau um Felsen herumgleitet wie auf Rollen: Ich bedauerte es ordent­lich, kein Licht zu haben! Um diese Stelle kam das Boot fein herum. Nun aber liegt stromaufwärts, jenseits einer Bucht erst die eigentliche Ye‑lo‑tan. Der Strom ist geradezu fabelhaft unten. Von dem Treidelweg aus sieht man wie der Strom, abgelenkt durch mehrere Felsinseln im Strom, sich gegen die vorspringende Felsnase wendet und nun um diese herum strömt, Wirbel und Gegen­strömungen in fortwährendem Wechsel bildend.

 

 

 

 

Treidler-Weg am Yeh-lo-tze-tan

 

 

Während nun das Boot gegen den Strom ankämpft, müssen die Treidler um die Bucht herum und an dem ungeheuer langen Tau das Boot durch die scharfe Strömung ziehen. Ich beobachte den Vorgang von der Ecke aus und im entscheidenden Moment ‑ macht mein alter Kahn plötz­lich eigenartige Bewegungen, die Leute arbeiten wie wild am Bugruder, aber es treibt, das Tau ist gerissen. In noch nicht 5 Minuten war es am erst gerundeten Felsen, ohne das die Leute aus dem Strom heraus in die schützende Bucht bringen konnten, es trieb hart am Felsen vorbei und weit unten erst kam es an Land. Ich brauchte über 1/2 Stunde in gutem Tempo um hinunter zu kommen! Da liegen wir nun fest und morgen geht der Rummel noch einmal los. Vielleicht habe ich nun "Licht" um die Felsecken zu typen!

 

 

Eine Seite der Handschrift fehlt!

 

 

 

Dschunke mit Lichtdochten beladen

 

Chungking 

 

Am Südufer sind eine ganze Reihe europäischer Häuser, das Konsulat liegt aber in der Stadt, sehr weit fort und sehr hoch auf dem Berg, sagen meine Bootsleute. Als Landungsplatz wählen sie eine Stelle neben dem Customs‑Haus am Südufer gegenüber der Stadt. Aber erst nach mehrfachem Kreuzen des Flusses und zweimaligem Festfahren gelangen wir etwa um 5 Uhr dort hin. Für heute ist nichts mehr zu machen, ich fahre daher über den Fluss, um meine Ankunft im Konsulat persönlich anzuzeigen.

 

Aus der Kopie der in deutscher Schrift niedergeschriebenen

Handschrift des Verfassers bestmöglichst übertragen.

Februar / März 1987 Elke u. Jörg Kalle

 

 

 

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